Das Deutsche Reich uad seine einzelnen Glieder. (Februar 6.) 19
Jene Zuschläge können wegen ihres sprunghaften Charakters nicht bei-
behalten werden. Es hat sich aber auch gezeigt, daß auf die Mehrerträge
nicht verzichtet werden kann. Wir haben also die Steuerzuschläge in den
bestehenden Tarif eingearbeitet und im übrigen das Wesen geändert, soweit
es auch als reformbedürftig herausgestellt hat. Höhere Erträge
herauszuwirtschaften war nicht die Absicht der Regierung. Ueber eine Steigerung
des Stenersatzes von fünf Prozent hinauszugehen erscheint nicht angebracht,
um nicht das Lapidal zur Abwanderung aus Preusen zu veranlassen.
Wenn die Regierung dabei viele Erleichterungen zugesteht so muß sie um
so meht darauf achten, daß die Steuern, die ihr zustehen, auch eingehen.
Daher die Verpflichtung der Arbeitgeber zur Namhaftmachung der dekla-
rationspilichtigen Personen urd die Zusammenfassung der Beweislast bei
Beannstandungen an die Sleuerpflichtigen. Es ericheint auch notwendig,
die Steuerhinterziehung anders als bisher zu bestrafen, denn wer Steuern
hinterzieht versünddigt sich an der Algemeinheit, in deren Interessen die
Steuern verwandt werden Es ist ein Generalpardon beabsichtigt, um
Härten zu vermeiden die diejenigen treffen würden, die früher keine
wahrheitsgemäßen Angaben gemacht haben.
Abg. Dr. Keil (NI.): Die Lndräte sind ganz ungeeignet für die
Veranlagungsarbeiten und viele von ihnen wünschen auch von dieser Arbeit
befreit zu werden: sie haben ja meist gar nicht die nötige Vorbildung,.
um die Verhältnisse richtig zu beurteilen. Es müssen Sachverständige für
die Veranlagung ernannt werden und nur ausnahmsweise mag man den
Landrat damit betrauen. Verbessert man das Veranlagungsverfahren, so
werden daraus so viel Mehreinnahmen für den Staat erwachsen, daß wir
in drei Jahren auf die Zuschläge verzichten können!
Abg. v. Dennigs (.): Ob die Deklarationspflicht für die Er-
gänzungeteuer notwendig ißt, bleibe dahingestellt. Wird sie aber eingeführt,
so muß auch die Garantie für die richtige Einschätzung, namentlich des
mobilen Kapitals gegeben werden.
Abg. Graf Spee (3.): # Erhöhung der Ergänzungssteuer lehnen
wir ab. denn sie würde uns auf eine schiefe Bahn führen, die nur im
Interesse der Sozialdemokratie liegt. Wir lehnen auch die Einführung
der Gefängnisstrafe wegen Steuerhinterziehung ab. Gegen die Ausdehnung
der Anzeigepflicht ist, da sie einmal besteht, nichts einzuwenden. Not-
wendig ist eine Revision des Veranlagungsgeschäftes.
Abg. Hirsch (Sd.): Ganz mangelhaft ausgebildet ist die Ergänzungs.
steuer. Die gegenwärtige Finanzlage rechtfertigt nicht die Beibhallung
der Steuerzuschläge; zumal die Einführung der Deklarationspflicht auf die
größeren Vermögen eine erhebliche Mehreinnahme erwarten läßt. Millionen
gehen dem Staat durch Steuerhinterziehung verloren. Der Landrat ist für
die Leitung des Veranlagungsgeschäftes auf dem Lande nicht geeignet.
6. Februar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Fort.
setzung der ersten Lesung der Novelle zum Einkommen- und Er-
gänzungssteuergesetz.
Abg. Cassel (Fortschr. Vp.): Wir haben die Zuschläge nur ein-
geführt als Provisorium, und nachdem sichn sich unsere Finanzen so gebessert
haben, müßte die Regierung selbst die Hand zu ihrer Beseitigung bieten.
Es müßte eine gründliche organische Aenderung unserer Einkommensteuergesetze.
vorgenommen werden, wir müstten die Quotfizierung der Einkommen-
seuer bekommen, damit wir von Jahr zu Jahr bemessen können, wie viel der
Staat Geld braucht und nicht eine verhängnisvolle Thesaurierungs-
politik getrieben werden kann. Um eine wirklich danernde Gesundung
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