Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 16.) 35
Daß ich in diesem Stadium der Angelegenheit Weiteres nicht erklären kann.
(Sehr richtig!) Ich habe aber nicht zögern wollen, dem Reichstage Mit-
teilung zu machen von der Tatsache der Besprechungen und von ihrem Ziel.
(lebhafter Beifall. )
Abg. Dr. Junck (Kl.): Wir halten an dem Grundsatz fest: keine
Ausgaben ohne Deckung. Sollte es zu neuen großen Ausgaben kommen,
so würde Ihnen (rechts) der Adler der Erbanfallsteuer nicht geschenkt bleiben.
(Unruhe r. und im 3.) Für Heer und Marine gibt es keine andere Steuer
als eine direkte Reichssteuer. Es sollte ein Ehrenpunkt der Besitzenden sein.
das Zoll nicht mit indirekten Steuern für slolche Zwecke zu belasten.
Zuruf im 3.: Börsensteuer) Hierbei möchle ich auf meinen Lieblingsgedanken
einer Reichsbesteuerung der entfernteren Verwandten zurückkommen. Wie
oft komme es vor, daß man förmlich nach Erben sucht. Derartige Erb-
schaften müßten an das „gemeine Wesen“, wie man sagt, zurückfallen. Was
die angekündigten Forderungen für Heer und Marine anlangt, so liegt es
uns fern, mit übertriebenem Chauvinismus die Einbringung dieser Vor-
lagen zu fordern. Die Verantwortung dafür trägt der Reichskanzler. Kommen
die Vorlagen, so werden wir sie eingehend prüfen, und wir werden be-
willigen, was im Interesse des Heeres und des Ansehens des Reichs
notwendig ist. Daß diese Entschließung wesentlich beeinflußt wird durch unser
Verhältnis zum Ausland, ist klar. Ein besseres und herzlicheres Verhältnis
Zu England wünschen auch wir, wenn wir auch die Erinnerung an Marokko
nicht so leicht verwinden können. Das deutsche Volk will in der Sozial-
politik nicht mitgehen das ist die Forderung des Tages. Die furchtbare
Tatsache, daß sich mehr als vier Millionen unserer Volksgenossen zu einer
Partei bekannt haben, deren Endziel, ohne mich verletzend ausdrücken zu
wollen. Mit unseren Grundsätzen nicht vereinbar ist, legt uns den Zwang
auf, auf dem Wege der Sozialpolitik nicht stillzustehen. Meine Partei steht
nahezu einmütig auf dem Standpunkt, daß die Wahl eines sozlaldemo-
kratischen Vizepräsidenten notwendig war. Eine Partei, die über vier
Millionen Stimmen hinter sich hat, muß gezwungen werden, milzuwirken
an der ordnungsmäßigen Führung der Reichstagsgeschafte. Unsere Ent-
scheidung ist uns um so leichter gewesen, als nach der Wahl des Abg. Spahn.
Die Gefahr bestand, daß sich ein Präsidium bilden würde, das wir grund-
sätzlich nicht haben wollten. (Lachen im 3.) Uns war versichert worden,
daß der sozialdemokratische Vizepräsident die Anforderungen erfüllen werde,
die an ihn gestellt werden müssen. (Aha!)
16. Februar. (Reichstag) Fortsetzung der ersten Beratung
des Etats. Rede des Reichskanzlers über innere Politik.
Abg. v. Bader (Fortschr. Br.): „Keine Ausgabe ohne Deckung.“
Diesen satz sollte man mit goldenen Buchstaben auf diese Wand malen.
mit den Namen derjenigen Abgeordneten und Staatssekretäre, die gewohn-
heitsmäßig gegen diesen Satz gesündigt haben (Heiterkeit). Mit der
agrarischen Hochflut ist es vorbei, und der schwarzblaue Block wird niemals
mehr so geleimt werden, wie er gewesen ist. Ebenso ist es mit Ihrer
priviligierten Stellung im Reichstage vorbei. Ist sie einmal verloren
gegangen, so ist auch der Glaube an Sie verloren. Mit der Zunahme
der sozialdemokratischen Mandate verstärkt sich die Erscheinung die nicht
zu unterschätzen ist, daß die Herren sich jetzt mehr dem Ganzen fügen
müssen. Vieileicht wäre es Ihnen angenehmer gewesen, etwas weniger
Mandate zu bekommen, um dieser unangenehmen Notwendigkeit enthoben
zu sein. Wir sind das letzte Bollwerk gegen die Sozialdemokratie. (Leb
hafter Beifall bei den Liberalen, Gelächter r. und im 3.) Nicht wir haben
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