Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

630 Frankreich. (Januar 15.—23.) 
solle. Aus der Anleihe würden 420 Millionen Franken für das Marine-- 
programm entnommen werden. Er schlägt weiter vor, die außerordentlichen 
Ausgaben für Heer und Marine durch drei, vier oder fünf Anleihen, die 
in den Jahren 1914 und 1915 emittiert und schnell amortisiert würden, 
zu decken. Die Anleihen müßten staffelweise erfolgen, um dem Markte 
nicht zu viel Geld auf einmal zu entziehen. Caillaux rechtfertigt sodann 
die Kapitalsteuer mit der Notwendigkeit, die zukünftigen Budgets ins Gleich- 
gewicht zu bringen. Die Einkommensteuer werde mindestens 250 Millionen 
bringen, und eine Aenderung einzelner Steuern, u. a. auf Petroleum, würde 
50 bis 100 Millionen ergeben. An weiteren Steuern sind von Caillaux 
geplant: Erhöhung der Gewerbesteuer der kinematographischen Theater, Er- 
höhung der Stempelsteuer beim Verkauf von Geschäften und Möbelvber- 
steigerungen (Erträgnis 15 Millionen Franken), Erhöhung des Quittungs- 
stempels (Erträgnis 8 Millionen Franken), Erhöhung der Stempelsteuer auf 
Wertpapiere ausländischer Gesellschaften, welche keinen Pauschalbetrag be- 
zahlen, von 2 auf 3 Prozent (Erträgnis 1090000 Franken), Erhöhung der 
Steuer auf Börsengeschäfte (Erträgnis 5200000 Franken), Abänderung der 
Zollsätze auf Kunstwerke (Erträgnis 1500000 Franken), Verdoppelung der 
Zuschlagstaxe auf Absinth und ähnliche alkoholische Getränke (Erträgnis 
8330000 Franken). 
15. Januar. Beteiligung an den olympischen Spielen. 
Einer Abordnung des französischen Hauptausschusses für die olym- 
pischen Spiele gibt Ministerpräsident Doumergue bekannt, daß dem Ersuchen 
um eine Unterstützung von 600000 Franken nicht Folge gegeben werden 
könne, aber er sei bereit, für die allgemeinen Ausgaben 150000 Franken 
zu bewilligen, und dem Minister des Innern stehe es zu, einen gewissen 
Beitrag für die zweckdienliche Ausbildung der Athleten zu bewilligen, die 
Frankreich in Berlin vertreten sollen. 
15. Januar. (Lille.) Schwere Meuterei im Militärgefängnis 
der Zitadelle. 
19. Januar. (Kammer.) Abbé Lemire legt das Amt des 
Vizepräsidenten nieder. 
19. Januar. (Amiens.) Der Kommandierende General des 
2. Armeekorps, General Picquart, ehemaliger Kriegsminister, 1, 
59 Jahre alt. 
20. Januar. (Kammer.) Das Gesetz betr. den Schutz der 
Laienschule wird mit großer Mehrheit angenommen. 
20. Januar. (Paris.) Präsident Poincaré und Gemahlin, 
sowie das gesamte Ministerium Doumergue besuchen eine Abend- 
gesellschaft auf der deutschen Botschaft. 
Bisher hat kein Präsident an Festen im deutschen Botschafterpalais 
teilgenommen. 
21. Januar. (Paris.) François de Pressensé, ehem. (so- 
zial.) Abgeordneter und Präsident der Liga für Menschenrechte, 1,6 
60 Jahre alt. 
23. Januar. (Senat.) Senator Reymond bringt eine Inter- 
pellation über das französische Luftfahrwesen ein.
	        
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