Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Krantreich. (März 10.) 639 
gegenüber vor sich geht, aus der Unruhe herrührt, zu wissen, ob der Handels- 
vertrag in zwei Jahren erneuert werden wird. Das ist, wie gesagt, möglich. 
Aber, wie ich schon sagte, die Bewegung, welche sich bald gegen den einen, 
bald gegen den andern vollzog, richtet sich jetzt nach dieser Seite. 
Ministerpräsident Doumergue äußert sich sodann in längerer Rede 
über die auswärtigen Angelegenheiten: Die Regierung hat nicht aufgehört, 
in allen Fragen mit ihren Freunden und Verbündeten in vollem Ein- 
vernehmen vorzugehen. Besprechungen, die stattfanden, um friedliche Lö- 
sungen für die Schwierigkeiten zu finden, werden dieses Einvernehmen 
Frankreichs mit dem verbündeten Rußland und dem befreundeten England 
noch verstärken, ein Einvernehmen, das kostbar erschien, um das europäische 
Gleichgewicht aufrechtzuerhalten und den Frieden zu wahren. Dieses Vor- 
gehen hat auch die andern Großmächte beeinflußt. Frankreich hat daran 
gearbeitet, die Spuren des Balkankonfliktes zu beseitigen und den Groll 
zwischen den Frankreich befreundeten Nationen zu besänftigen. Frankreich 
arbeitete durch seinen Botschafter in London an dem Werke der Versöhnung 
und Gerechtigkeit. Die Botschafter in London mußten mit Klugheit vor- 
gehen, um nicht den Ausbruch eines allgemeinen Krieges zu riskieren, den 
zu vermeiden das Bestreben aller Regierungen sein muß. Zu dem Besuche 
des Prinzen zu Wied in den sechs Hauptstädten bemerkt der Minister- 
präsident: Diese Besuche beweisen seinen Willen, Albanien unabhängig zu 
erhalten. Die Mitwirkung Frankreichs ist allen denjenigen sicher, die in 
diesem Lande ohne Gewaltsamkeit die Ruhe wiederherstellen. Die Konferenz 
der Großmächte in London hatte sich von der Notwendigkeit überzeugt, 
längs der Küste des Adriatischen Meeres einen unabhängigen Staat zu 
gründen in Gegenden, wo die albanische Rasse vorherrscht. Die Großmächte 
hatten anerkennen müssen, daß in diesen Gebieten, die in der Nachbarschaft 
von zwei großen Staaten liegen, Italiens einerseits und anderseits Oester- 
reich-Ungarns, dessen Geschicke Kaiser Franz Joseph mit so großer Weisheit 
und in so hoher Würde leitet, seit längst entschwundener Zeit eine tat- 
kräftige und kriegerische Rasse mit ausgesprochenem Volkscharalter ihren 
Sitz hat. Doumergue weist weiter darauf hin, daß Frankreich sich besonders 
auch in der Türkei in friedlichem Sinne betätige. Diese würde nicht auf 
die finanzielle Unterstützung Frankreichs rechnen können, wenn sie den 
Frieden stören wolle. Frankreich habe auch die verschiedenen schwebenden 
Fragen in Syrien und die der Eisenbahnen geregelt. Im Einvernehmen 
mit England und Rußland habe es durch Reformen die Wiederherstellung 
der Ordnung in Armenien durchgesetzt. Die drei Mächte würden fort- 
fahren, an der Festigung des ottomanischen Reichs zu arbeiten. Frankreich 
habe ferner im Verein mit den europäischen Mächten sowie mit den Ver- 
einigten Staaten und Japan darauf hingearbeitet, eine Zerstückelung 
Chinas zu vermeiden und dort normale Zustände wieder einzuführen. 
Doumergue erklärt, daß die Beziehungen Frankreichs zu den Vereinigten 
Staaten und zu Japan von Vertrauen getragen würden. Er erinnert daran, 
daß die französischen Kriegsschiffe sich mit denen der anderen Nationen 
vereinigt hätten, um die schwer geschädigten Interessen der Ausländer in 
Mexiko zu schützen, wobei sie sich jedoch einer Intervention enthielten. 
Frankreich vertraue der Regierung der Vereinigten Staaten als den Meriko 
nächsten. Sobald der Augenblick gekommen sei, werde es Genugtuung für 
die verletzten französischen Interessen verlangen. 
Bei Besprechung der Marokkofrage sagt der Ministerpräsident: 
Die letzten Abkommen mit Spanien haben die Meinungsverschiedenheiten 
beseitigt und eine sehr glückliche Annäherung und vollständige Eintracht in 
der marokkanischen Verwaltung der beiden Länder herbeigeführt. Doumergue
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.