Fraukreiq. (Mãrz 17. 18.) 643
und den können wir nicht annehmen, bei Strafe zu sterben. Dann schließt
der Redner: Entweder schlagen Sie Frankreich vor, daß es auf seinen Rang
in der Welt verzichte, oder Sie nehmen die dreijährige Dienstzeit an. Wer
würde es aber wagen, den erstern dieser Vorschläge auf diesem letzten Fetzen
Landes zu machen, der Frankreich um den Preis des Blutes seiner Kinder
von der elsässischen Erde geblieben ist? (Belfort.) Nein, Bürger, ich schwöre
es bei unsern Toten von 1870, Frankreich wird sich nicht darin ergeben,
sich selbst aus dem Range der Nationen auszustreichen, es wird seine Ab-
dankung nicht unterzeichnen.
16. März. (Paris.) Revolverattentat der Gemahlin des
Finanzministers Caillaux auf den Direktor des „Figaro“, Calmette,
an dessen Folgen dieser noch in der Nacht stirbt. Der Finanz-
minister reicht sogleich sein Abschiedsgesuch ein.
Aus Pariser Pressestimmen: Der „Figaro“" schreibt: Unser Direktor,
Gaston Calmette, ist heute nacht einem Mordanschlag erlegen. Dieses Ver-
brechen wird im ganzen Lande Zorn und Entrüstung erregen. Wir, seine
Mitarbeiter und Freunde, sind vor Schmerz niedergedrückt. Wir haben den
edelsten und liebevollsten Führer verloren, der als Opfer in dem loyalsten
und kühnsten Kampfe gefallen ist, welchem ein patriotischer Schriftsteller
jemals seinen Mut und sein Talent gewidmet hatte. Calmette hegte gegen
Caillaux keinen persönlichen Haß. Er erblickte in diesem Minister eine
nationale Geißel, und er wollte das Land von ihm befreien. Er hat das
Land von ihm befreit, und Frankreich konnte auch keine Stunde länger
einen Mann als Finanzminister behalten, der moralisch für ein solches
Verbrechen verantwortlich ist. — Das nationalistische „Echo de Paris“ sagt:
Ist die Handlung der Frau Caillaux nicht gewissermaßen eine der unab-
wendbaren Folgen dieses Regimes moralischer Anarchie und sozialer Auf-
lösung? Jeder Glaube, jede Tradition wurde ausgerottet, verhöhnt; Ehre
und Pflicht werden verkannt. Allmählich würde man aus diesem Volke,
das noch widersteht und in seiner Gesamtheit so edel und stolz bleibt, ein
Volk von Verrückten und Entarteten machen. — Die „Lanterne“ sagt: Der
von Calmette begangene Fehler rächt sich schwer, und wir sehen in ihm
nicht den in rühmlichem Kampfe für seine Ueberzeugung gefallenen Jour-
nalisten. Er hat die Mauer des Privatlebens überstiegen und sich dadurch
der Kugel ausgesetzt, die ihn traf.
17. März. (Kammer.) Wiederaufnahme der Untersuchung
des Falles Rochette.
Die Kammer nimmt im Zusammenhang mit dem Falle Caillaux
nach einer überaus erregten Debatte zwei von der Regierung genehmigte
Anträge des Sozialisten Sembat einstimmig an, wonach die Befugnisse
des Rochetteausschusses vermehrt und ihm durch ein besonderes Gesetz die
Machtvollkommenheiten eines Untersuchungsrichters erteilt werden. Der
Rochetteausschuß hat die Aufgabe, zu untersuchen, ob die gegen Caillaux und
Monis erhobenen Beschuldigungen begründet sind, daß sie seinerzeit durch
Hinausschiebung des Rochetteprozesses dem Millionen-Gründungsschwindler
Nochette ermöglichten, sich der Strafe zu entziehen.
18. März. Der Ministerrat nimmt Caillaux' Demission an.
Sein Nachfolger wird der Minister des Innern Renoult. Zum
Minister des Innern wird Handelsminister Malvi, zum Handels-
minister Staatssekretär Peret ernannt. "11.