Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

668 Frantreich. (Juli 10.—13.) 
10. Juli. (Senat.) Der Kredit für die Reise des Präsidenten 
nach Rußland, Schweden, Norwegen und Dänemark wird mit Ein- 
stimmigkeit bei 288 anwesenden Mitgliedern bewilligt. 
11. Juli. (Paris.) Der Minister des Außern Viviani und 
der deutsche und österreichisch-ungarische Botschafter unterzeichnen ein 
zwischen Frankreich, Deutschland und Osterreich abgeschlossenes Ab- 
kommen über den Telephonverkehr zwischen Paris und Wien. 
11. Juli. An Stelle Paul Dérouledes wird Maurice Barres 
zum Präsidenten der Patriotenliga gewählt. 
Bei der Uebernahme seiner neuen Würde sagt Barrès: Für alle, 
die nur ein wenig die Kulissen der gegenwärtigen Politik kennen, ist es 
offenkundig, daß eine einflußreiche Verschwörung besteht, um die Triple- 
entente zu zertrümmern und an deren Stelle ein Bündnis mit Deutschland 
zu setzen: das Vasallentum eines vor Kaiser Wilhelm auf den Knien lie- 
genden Frankreichs. Nun denn, die gegenwärtige und immerwährende 
Pflicht der Liga ist es, sich der moralischen und materiellen Abdankung 
unseres Vaterlandes zu widersetzen. 
12. Juli. (Kammer.) Einkommensteuergesetzentwurf. 
Der von André Tardien eingebrachte Gegengesetzentwurf, der die 
Einkommensteuer durch Zuschläge auf die gegenwärtigen direkten Steuern 
ersetzen will, wird mit 412 gegen 140 Stimmen abgelehnt. Dagegen wird 
der Artikel, wonach das steuerpflichtige Einkommen nach dem Gesamtbetrage 
des jährlichen Reineinkommens festsetzt wird, mit 413 gegen 103 Stimmen 
angenommen. 
13. Juli. (Kammer.) Annahme der letzten Artikel des 
Einkommensteuergesetzentwurfes. 
13. Juli. (Senat.) Beratung über den Gesetzentwurf, durch 
den der Kriegs= und der Marineminister zu einmaligen Ausgaben 
für die Bedürfnisse der nationalen Verteidigung ermächtigt werden. 
Ch. Humbert, der Berichterstatter der Heereskommission, erklärt, 
daß, wenn auch das Dreijahrsgesetz dem Lande die notwendige Zahl von 
Mannschaften gegeben habe, doch noch große Anstrengungen notwendig seien, 
um die materielle Organisation zu verbessern. Er weist vor allem darauf 
hin, daß das Material der Feldartillerie immer mehr gegenüber der deut- 
schen ins Hintertreffen komme. Der französischen Armee fehlten Offiziere, 
und das Bedürfnis nach ihnen liege klar zutage. Das sei jetzt anerkannt 
worden. Dentschland verfüge über ein erstklassiges Material. Was die 
Festungsartillerie betreffe, so stehe Frankreich in dieser Beziehung nicht 
besser da. Für viele Geschütze habe man großenteils Granaten aus Gußeisen. 
Die französische Haubitze entspreche nicht mehr den Anforderungen des 
Krieges. Sie sei ersichtlich geringwertiger als die deutsche. Redner wirft 
der Heeresleitung vor, aus den bemerkenswerten Fortschritten der franzö- 
sischen Industrie keinen Nutzen gezogen zu haben. Die Festungskomman- 
danten forderten seit langen Jahren vergeblich die Vermehrung ihrer Be- 
stände und den Umtausch des alten Materials gegen neues. Humbert er- 
klärt weiter, daß die französische Industrie gewisse Gegenstände dem Aus- 
lande in besserer Qualität geliefert habe als dem Heere. Es sei nicht ge- 
nügend Geschützmunition vorhanden, auch fehle es an anderen Ausrüstungs-
	        
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