Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Srankreiq. (November 1. 2.) 697 
die ihre Kinder zum Schulbeginn nach Paris begleitet haben, finden am 
Nachmittag natürlich alle den Weg in die Wandelgänge. Von da bis zur 
Bildung der Sondergruppen ist nur ein Schritt. Das Blatt schließt: Die 
Entscheidung über die Rückkehr der Behörden ist ein schwerer und ernster 
Entschluß voller Konsequenzen für die Zukunft, der nicht auf die leichte 
Achsel genommen werden darf. 
1. November. (Dünkirchen.) Kriegsrat. 
Es nehmen teil Präsident Poincaré, die drei Kriegsminister Millerand, 
de Broqueville und Lord Kitchener sowie General Joffre. Es wird neuer- 
dings festgestellt, daß für die Gegenwart und die Zukunft zwischen den 
Stäben der drei verbündeten Armeen vollständige Einigkeit bestehe. 
2. November. (Bordeaux.) Die Regierung erläßt folgende 
Erklärung zu dem Bruch mit der Türkei. 
Die Regierung der Republik hat wie auch die russische und die eng- 
lische Regierung gleich bei Beginn des jetzigen Krieges der osmanischen 
Regierung die förmliche Versicherung erteilt, daß ihre Unabhängigkeit und 
ihr Gebietsbestand während der Dauer des Krieges und bei Abschluß des 
Friedens geachtet werden würden, falls dic osmanische Regierung während 
der Feindseligkeiten die Neutralität halten würde. Seither hat die Regie- 
rung der Republik leider mehrfach bedauerliche Uebertretungen der Vor- 
schrift in bezug auf die Neutralität bei dem Verhalten feststellen müssen, 
das die Behörden der osmanischen Armee und Flotie gegenüber Deutsch- 
land beobachteten. Die während der letzten Wochen stete zunehmende Zahl 
der deutschen Offizieren anvertrauten Aemter, der Empfang von Waffen und 
Munition deutscher Herkunft, die Aufnahme, welche die „Goeben“ und „Bres- 
lau“ fanden, haben mit Recht die Besorgnis der Regierung der Republik zu 
dem Zeitpunkt erregt, wo diese durch ihre wohlwollende Haltung in der Frage 
der Kapitulationen ihrem Wunsche nach gutem Einvernehmen mit der 
Pforte Ausdruck gab. Am 29. Oktober begingen die türkischen Schiffe ohne 
Ansage und ohne jedwede Herausforderung Kriegshandlungen. In Odessa 
beschoß ein osmanisches Schiff den französischen Dampfer „Portugal“, der 
Besitz der Messageries Maritimes ist, und verwundete mehrere Personen 
an Bord. An demselben Tage brachten türkische Schiffe ohne Kriegserklä- 
rung russische Schiffe zum Sinken und beschossen Fcodosia, Noworossijsk, 
griffen also offene und unverteidigte Städte an der russischen Küste des 
Schwarzen Meeres an. Die russische und die französische Regierung schlugen 
darauf im Einvernehmen mit der britischen Regierung und in der Hoff- 
nung, daß diese Handlungen den deutschen Offizieren zuzuschreiben seien, 
die versucht hätten, die dem osmanischen Oberbefehl zukommende Gewalt 
an sich zu reißen, der Hohen Pforte vor, ihre Politik von der des Ber- 
liner Kabinetts loszusagen, indem sie unverzüglich alle in osmanischen 
Diensten stehenden deutschen Offiziere entlasse. Infolge einer Versammlung 
des Großen Rates der türkischen Regierung und des Komitees „Einheit 
und Fortschritt“, die am 30. abends abgehalten wurde, beschränkte sich die 
türkische Regierung darauf, den Botschaftern des Dreiverbandes die Zurück- 
berufung der türkischen Schiffe nach der Meerenge vorzuschlagen und den 
Wunsch zu äußern, mit den Kabinetten Rußlands, Frankreichs und Eng- 
lands in Frieden zu bleiben. Da jedoch die Entlassung der deutschen 
Offiziere aus türkischen Diensten nicht stattfand, konnten die Regierungen 
des Dreiverbandes nicht hoffen, daß die Türkei die von ihr angebotene 
passive Haltung annehmen würde. Es lag auf der Hand, daß, nachdem 
die Deutschen den Druck herbeigeführt hätten, sie ihn auch gänzlich aus-
	        
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