Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Stalien. (Januar 25.—März 10.) 709 
nicht, die Türkei zu schwächen, sondern zu stärken. Denn es verlange nur eine 
Beteiligung Italiens an der wirtschaftlichen Betätigung Europas im östlichen 
Mittelmeer. Dadurch werde es ein Mitinteressent an der Wohlfahrt und In- 
tegrität der Türkei. Italien wolle keinen Landerwerb, werde aber als Groß- 
macht am Mittelmeere um jeden Preis darauf bestehen, an dem friedlichen 
wirtschaftlichen Wettbewerb der Großmächte teilzunehmen und sich im östlichen 
Mittelmeer den ihm gebührenden Platz zu sichern. Das sei ein Lebensinteresse 
für Italien. Und es sei entschlossen dieses sein Ziel, welches mit allen gesetz- 
mäßigen Interessen der Türkei und Europas vereinbar sei, zu erreichen. 
25. Januar. (Mailand.) Amilcare Cipriani, Vertreter des 
radikalsten Sozialismus, wird zum Abgeordneten gewählt. 
28. Januar. Der Außenhandel im Jahre 1913. 
Wert der eingeführten Waren 3638 Mill. Lire (63 weniger als 1912), 
der ausgeführten 2504 Mill. (107 mehr als 1912). Im einzeln hat eingeführt 
Deutschland für 612½ (— 13, 8). Großbritannien für 601 (+ 24), die 
Vereinigten Staaten von Nordamerika für 505 (— 9,7), Frankreich für 
281 (— 9), Oesterreich-Ungarn für 264 (— 30), Argentinien für 174 (+ 23) 
und die Schweiz für 88 ½ Millionen Lire (# 3,8). Ausgeführt wurde nach 
Deutschland für 337 (+ 8), nach Großbritannien für 261 (— 3), nach den 
Vereinigten Staaten für 258, nach der Schweiz für 218 (+ 30), nach Frank- 
reich für 231 (+ 8), nach Oesterreich--Ungarn für 219 und nach Argentinien 
für 190 Millionen Lire (+ 8). 
3. Februar. (Kammer.) Die Regierung legt einen Gesetz- 
entwurf über die bürgerliche Eheschließung vor. 
Der Entwurf enthält neun Artikel, von denen der 1. das Prinzip 
der Ziviltrauung vor der kirchlichen Trauung aufstellt und der 2. den Geist- 
lichen verbietet, ohne Vorlegung der Ziviltrauurkunde kirchlich zu trauen. 
Art. 3 verfügt eine formale Erleichterung der zivilen Ehe, namentlich für 
Arme. Art. 4 und 5 bedroht zuwiderhandelnde Ehegatten und Geistliche 
mit Geldstrafen, letztere im Rückfall mit der Entziehung des Staatsgehaltes. 
Art. 6 verfügt die Einstellung des Strafverfahrens, wenn vor Rechtskraft 
des Urteils die Ziviltrauung nachgeholt wird. Art. 7 droht Geldstrafe und 
Gehaltsentziehung der Geistlichen an, die sich weigern, den Staatsbehörden 
die kirchlichen Trauregister vorzulegen. Art. 8 und 9 enthalten Uebergangs- 
bestimmungen. Die Vorlage unterscheidet sich von der früher eingebrachten 
dadurch, daß für Zuwiderhandlungen im Wiederholungsfall keine Freiheits- 
strafen mehr angedroht werden. 
23. Februar. Rücktritt des Kriegsministers Spingardi. 
7. März. (Kammer.) Die Ausgaben für Libyen werden 
mit 237 gegen 47 Stimmen angenommen. 
9.—10. März. (Rom.) Generalstreik wegen der in der öffent- 
lichen Krankenpflege von der Stadt beschlossenen Neuerungen. 
10. März. Rücktritt des Kabinetts Giolitti. 
Der Beschluß der Linksradikalen, die Regierung nicht mehr zu unter- 
stützen, macht ein Verbleiben ihrer Parteifreunde im Ministerium unmöglich. 
Infolgedessen unterbreitet Giolitti dem König die Entlassung des gesamten 
Kabinetts. Die Kammer vertagt sich auf unbestimmte Zeit. 
Giolittis (4.) Ministerium (seit 1910) war für das äußere und innere 
Leben des italienischen Volkes besonders bedeutungsvoll. Die Einverleibung
	        
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