Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Aalien. (März 31.—Vpril 2.) 711 
Ruhe und als den beharrlichsten Mitarbeiter an der Vertiefung sozialer 
Arbeiten. — Dem „Corriere della Sera“" zufolge bilden die Verhältnisse 
in der asiatischen Türkei den hauptsächlichen, wenn nicht den einzigen Gegen- 
stand der Unterredung der Monarchen in Venedig. Deutschland und Italien 
wünschten beide die Fortdauer des türkischen Reiches unter Zugrundelegung 
von Reformen, welche die Bevölkerung Kleinasiens der Regierung in Kon- 
stantinopel nähert. Italien könne aber infolge seiner Mittelmeerstellung 
nicht müßig zusehen, wenn andere Mächte in Kleinasien Kulturarbeit ver- 
richteten, sondern müsse sich gleichfalls beteiligen. Deutschlands Interesse 
verlange die Unterstützung Italiens, dessen Einflußkreis auf Zilizien und 
Pamphylien auszudehnen wäre. Es sei zu hoffen, daß die Unterredung der 
Monarchen ein Einverständnis zeitigen werde. 
Auch die französische Presse beschäftigt sich mit der Reise des 
Kaisers sehr angelegentlich. Der „Temps“ meint, die Begegnung in Venedig 
werde das enge Zusammenwirken der Kräfte des Dreibundes in allen Fragen 
des europäischen Festlandes, wie in denen des Mittelmeeres und Klein- 
asiens bekräftigen. Den vereinten Kräften gegenüber halte die Tripleentente, 
das Gleichgewicht aufrecht. Dieses Gleichgewicht und die Fürsorge, welche 
die Tripleentente aufwendet, um ihre militärische Macht auf der Höhe der 
diplomatischen Aufgabe zu erhalten, biete das beste Unterpfand dafür, daß 
die noch schwebenden Fragen in friedlicher und billiger Weise und nicht 
zum Schaden der Tripleentente-Mächte gelöst werden. Deshalb sehe Frank- 
reich diesem Austausch von Besuchen und Unterredungen ohne Beunruhigung 
zu; sei doch schon die Reise Kaiser Wilhelms nach Korfu ein Anzeichen der 
Entspannung. 
31. März. Unterzeichnung des Handelsvertrages mit Spanien. 
1. April. Eröffnung der Fernsprechlinie Mailand Berlin. 
1. April. Drohender Ausstand der Eisenbahnbediensteten. 
2. April. (Kammer.) Salandra entwickelt sein Programm. 
Er führt aus: Das Ministerium setzt sich aus Männern zusammen, 
die verschiedenen Richtungen der großen liberalen Partei angehören. Der 
siegreiche Krieg hat uns unser Selbstbewußtsein wiedergegeben und das 
Ansehen des italienischen Namens in der Welt gestärkt, aber auch einen 
Verbrauch an Kräften von uns gefordert, die ersetzt werden müssen. Während 
sich die Flotte auf Grund der vorgeschlagenen Kredite entwickeln kann, 
fordert die Armee vom Vaterlande, dessen Stolz und Hort sie ist, ent- 
sprechende Maßnahmen, für die wir in den Grenzen, wie sie die Hilfs- 
quellen des Landes ziehn, eintreten werden, weil wir wissen, daß ein aus- 
geglichenes Budget auch eine notwendige und gute Vorbedingung für die 
nationale Verteidigung ist. Angesichts der militärischen Operationen, die 
in Libyen fortdauern, wird die erste Sorge der Regierung sein, daß der 
dort kämpfenden Armee nichts fehlt und daß ohne Zögern die Einkünfte, 
zu denen man seine Zuflucht nehmen mußte, wieder ergänzt werden. Außerdem 
wird man die für die Bedürfnisse der Streitkräfte des Mutterlandes vor- 
gesehenen Fonds auffüllen müssen. Für die bereits begonnene Durchführung 
des Programms betreffend Befestigungen, Artillerie, Luftschiffahrt, Pferde, 
militärische Gebäude, Vorräte und Mobilisierungen wird die Regierung 
außerordentliche Kredite fordern, jedoch nicht über 200 Millionen, die auf 
mehrere Rechnungsjahre zu verteilen wären. Was die Finanzlage anbetrifft, 
so würde das laufende Rechnungsjahr infolge der Kosten für den libyschen 
Krieg, die fast ganz diesem Jahr zur Last gelegt worden sind, mit einem 
Defizit von 23 Millionen Lire abschließen; das Defizit wird aber zum Teil
	        
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