Iialien. (Dezember 17.—25.) 737
Aber wenn wir unsere Neutralität verschachert hätten, so hätten wir sie
auch entehrt. Der Senat hat von der Regierung keine weiteren Erklärungen
verlangt. Das Programm ist: Schweigen und Handeln. Danach werde ich
mich richten. Die Regierung wird in dem Augenblick, wo die Geschicke
des Landes ihr anvertraut sind, nach ihrem Gewissen handeln, und sie
bedarf des vollen und bedingungslosen Vertrauens des Landes durch Ver-
mittlung der Volksvertretung.
17. Dezember. (Rom.) Ankunft des Fürsten Bülow. Am
20. überreicht er dem König sein Beglaubigungsschreiben.
Die römischen Blätter widmen ihm sympathische Begrüßungsartikel.
18. Dezember. (Senat.) Das Haus vertagt sich auf un-
bestimmte Zeit.
19. Dezember. Ein königlicher Erlaß ermächtigt die Regierung,
eine innere Anleihe von einer Milliarde Lire in Obligationen aus-
zugeben.
Sie sollen in fünfund zwanzig Jahren, vom 1. Januar 1915 ab ge-
rechnet, zurückgekauft werden. Der Prozentsatz ist 4½, der Emissionspreis
siebenundneunzig vom Hundert. Die Zeichnung soll in den ersten zehn
Januartagen stattfinden. Die Zeichnungen auf Stücke von hundert Lire
müssen voll bezahlt werden. Bei höheren Zeichnungen sollen zunächst zehn
Prozent angezahlt werden. Die Restzahlungen können am 1. April, 1. Juli
und 1. Oktober 1915 stattfinden. Für die Dauer von zehn Jahren können
die Obligationen der Anleihe nicht konvertiert und nicht zurückgekauft
werden. In den fünfzehn darauffolgenden Jahren wird der Staatsschatz
die Löschung der Anleihe bewirken.
19. Dezember. Der österreichisch-ungarische Minister des
Außern, Graf Berchtold, teilt dem italienischen Botschafter, Herzog
von Avarna, mit, daß er geneigt sei, über Kompensationen mit
Italien zu verhandeln.
Es war dem deutschen Botschafter in Wien, v. Tschirschky, auf Grund
von Instruktionen des Staatssekretärs v. Jagow gelungen, den Grafen
Berchtold zu einer Aenderung seiner Haltung (siehe 9. Dezember) zu ver-
anlassen. Am gleichen Tage erklärt Fürst Bülow dem Minister des Aeußern
Sonnino, Italien habe durchaus recht mit seinem Wunsch, Kompensationen
zu erörtern, die bewilligt werden würden, sobald Oesterreich-Ungarn irgend-
welche festumgrenzte Ergebnisse erzielt haben würde. (Vgl. das italienische
„Grünbuch“ Nr. 5, 7, 8 und das österreichisch-ungarische „Rotbuch“ Nr. 77, 78.)
20. Dezember. Ein königlicher Erlaß verlängert das Mora-
torium mit wesentlichen Einschränkungen bis zum 31. März 1915.
20. Dezember. In verschiedenen Städten kommt es zu irreden-
tistischen Kundgebungen.
Am 20. Dezember 1882 wurde in Triest Wilhelm Oberdank als An-
stifter eines Mordversuchs gegen Kaiser Franz Joseph gehängt.
25. Dezember. Italienische Marinetruppen besetzen Valona.
(Siehe Albanien.)
Europäischer Geschichtskalender. LV. 47