Rämische Kurie. (Oktober 10.—November 16.) 741
wolle, weil er seine Sendung des Friedens und der Nächstenliebe unter
allen Völkern der Erde, ohne Unterschied der Rasse und der Religion, über
jedes andere Interesse stelle. Deshalb dürften besonders die Priester nicht
vergessen, daß man das allgemeine Interesse der Kirche und der Mensch-
lichkeit immer über das berechtigte Streben der Vaterlandsliebe stellen müsse.
10. Oktober. (Rom.) Kardinalstaatssekretär Domenico Ferrataf,
67 Jahre alt. Zu seinem Nachfolger wird am 13. der Kardinal
Pietro Gasparri, einer der besten Kanonisten der Kirche, ernannt.
20. Oktober. Die Mitteilung des Erzbischofs von Köln, daß
der Deutsche Kaiser auf seine Bitte verfügt habe, die gefangenen
französischen Geistlichen, die als Gemeine dienen mußten, wie Of-
fiziere zu behandeln, beantwortet der Papst mit einem längeren
lateinischen Schreiben, in dem er seine Anerkennung für dieses
Entgegenkommen ausspricht.
20. Oktober. (Rom.) Kardinal Merry del Val wird zum
Sekretär der Kongregation des heiligen Officiums ernannt.
31. Oktober. (Rom.) Da die französische Heeresleitung
wiederum eine Batterie vor der Kathedrale von Reims aufgestellt
und einen Beobachtungsposten auf dem Turm der Kathedrale ein-
gerichtet hat, legt im Auftrag des Reichskanzlers der preußische
Gesandte beim Vatikan bei der Kurie gegen den barbarischen Miß-
brauch von Gotteshäusern förmlich Protest ein.
4. November. (Ariccia.) Der Konklavemarschall Fürst Chigi f,
82 Jahre alt.
16. November. Der Papst richtet an die Bischöfe der katho-
lischen Welt eine Enzyklika.
Darin heißt es, der Papst sei, als er auf den Stuhl St. Peters
stieg, schmerzlich betroffen gewesen über die bedauernswerte Lage, in der
sich gegenwärtig die bürgerliche Gesellschaft befinde, aber freudig berührt
von dem erfreulichen Zustand, in dem ihm sein Vorgänger die Kirche über-
geben habe. Die Enzyklika begründet ausführlich diese beiden Eindrücke
und spielt hinsichtlich des ersten auf den schrecklichen Krieg der Geister an,
für den sie vier Hauptgründe findet: 1. den Mangel gegenseitiger und auf-
richtiger Liebe unter den Menschen, 2. die Verachtung der Autorität, 3. die
Ungerechtigkeit in den Beziehungen zwischen den verschiedenen bürgerlichen
Klassen, 4. die materiellen Güter, welche das einzige Ziel der menschlichen
Tätigkeit geworden seien. Sodann legt der Papst die Aufgabe, die er sich
gestellt hat, auseinander, damit die Bischöfe ihm helfen und sich in der
Muitarbeit mit ihm verbinden könnten, vor allen Dingen aber, weil der
erste Faktor jeder gemeinsamen Arbeit Einheit und Einmütigkeit sei. Der
Papst erklärt, es sei sein Wille, jede Zwietracht zu zerstreuen, die sich er-
hoben hätte, und zu verhindern, daß sich neue Zwistigkeiten bilden könnten.
Es sei vor allem nötig, persönliche Ansichten und behördlich nicht geneh-
migte Lehrmethoden in Bann zu tun, die durch Bücher oder durch Zeitungen
oder durch öffentliche Reden zur Verbreitung gelangten. Das katholische
Studium dürfe sich nicht mehr mit Fragen beschäftigen, deren Zweck der