Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

914 Rumũnien. (Juni 16.—18.) 
Völker stützt, entspricht gleichzeitig den historischen Traditionen und den 
Interessen der beiden benachbarten Länder. Ich sehe zu meiner großen 
Freude in der Solidarität dieser Interessen ein Unterpfand für die glück- 
liche Entwicklung der Beziehungen der Freundschaft und guten Nachbar- 
schaft. Euere Majestät haben geruht, auf die heilsamen Wirkungen einer 
friedlichen Politik hinzuweisen. Es ist mir besonders angenehm, bei dieser 
Gelegenheit dem wohltätigen Einfluß Anerkennung zu zollen, der letzthin 
von Rumänien unter der weisen Leitung seines Königs ausgeübt worden. 
ist. Das von Euerer Majestät vollendete Werk des Friedens hat Euerer 
Majestät die Anerkennung der Völker erworben und das Prestige des 
Landes noch erhöht. In der Hoffnung, daß nichts die friedliche Entwick- 
lung Ihres Reiches stört, erhebe ich mein Glas auf das Wohl Euerer 
Majestät, Ihrer Majestät der Königin, der ganzen Königlichen Familie 
und auf das der tapferen rumänischen Armee, deren schöne Regimenter 
ich soeben mit aufrichtigem Vergnügen bewundert habe und zu deren 
5. Rosioriregiment ich gehöre. Es leben Seine Moajestät der König und 
Ihre Majestät die Königin! 
Die der Regierung nahestehenden Blätter widmen dem Zaren- 
besuch äußerst sympathische Begrüßungsartikel, führen aber aus, daß durch 
den Besuch eine Aenderung in der auswärtigen Politik Rumäniens nicht 
eintreten werde. Trotz der Zusammenkunft des Zaren mit König Carol, bei 
der jedenfalls auch politische Fragen zur Erörterung gelangten, müsse Ru- 
mänien die Politik der freien Hand beibehalten. 
16. Juni. Schluß der Wahlen für den Senat der Konstituieren- 
den Versammlung. 
Gewählt sind: 81 Liberale, 22 Konservative, 12 konservative Demo- 
kraten, 3 Unabhängige. 
17. Juni. Der Kongreß der konservativen Partei wählt an 
Stelle des aus Gesundheitsrücksichten zurücktretenden Majorescu 
den früheren Minister A. Marghiloman einstimmig zum Parteiführer. 
18. Juni. Eröffnung der Konstituierenden Versammlung. 
In der von König Carol verlesenen Thronrede heißt es: Ich habe 
die Ueberzeugung, daß Sie das große Werk der Revision der Verfassung, 
das die Grundlagen des Staates zur Sicherung einer langen Periode fried- 
licher und gesunder Entwicklung befestigen soll, zu einem gedeihlichen Ende 
führen werden, indem Sie die berechtigten Interessen im Geiste der sozialen 
Harmonie zu einem Ausgleiche bringen. In dem Augenblick, da Sie an 
ein Werk von so großer Bedeutung gehen, habe ich die ganz besondere 
Befriedigung, feststellen zu können, daß die guten Beziehungen zu allen 
Staaten sich im Interesse des Friedens noch mehr befestigt haben. Getreu 
diesem ständigen Ziele unserer Politik werden wir über die Erhaltung des 
Gleichgewichts auf der Balkanhalbinsel wachen, zu dem wir im vergangenen 
Sommer so mächtig beigetragen haben, und wir werden unsere Bemühungen 
mit den Bemühungen aller derer vereinigen, die für die Befestigung des 
europäischen Friedens kämpfen. Der Besuch, den der Kaiser von Rußland 
mit seiner Familie in Constanza abstattete, ist, abgesehen von der innigen 
Genugtuung, mit der mich die mir stets vom Kaiser von Rußland in jo 
warmer Weise bekundete persönliche Zuneigung erfüllt, auch ein Beweis 
der hohen Stellung, die sich Rumänien durch seine kluge Politik und durch 
den mächtigen Aufschwung aller Kräfte des Königreichs in Europa erworben 
hat. Dieser Besuch ist gleichzeitig für Rumänien der Beweis des Wertes,
	        
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