928 Lerbien. (Juli 30. August 1.)
schlechten Verwaltung oder einzelnen Schuldigen zuschoben, sondern auf
das Königreich selbst. Obwohl dieses Verbrechen durch einen einzigen
Menschen, einen österreichischen Untertanen, unter den Augen der öster-
reichischen Behörden erfolgte, hat Oesterreich serbische Offiziere, die serbische
Regierung und das ganze Königreich Serbien beschuldigt. Eine derartige
Anklage gegen einen unabhängigen Staat, dem man einen durch einen
fremden Untertanen begangenen Mord zur Last legt, ist ohnegleichen in
der Geschichte Europas. Oesterreich hat uns den Krieg erklärt, ohne die
ungeheuren Folgen einer Verwicklung zu bedenken, die es herbeiführen
könnte, obwohl es die Schwierigkeiten und Gefahren kannte; und das in
einem Augenblick, wo Serbien nach zwei Kriegen die Früchte seiner An-
strengungen ernten wollte. Ich bin genötigt, meine tapferen und guten
Serben unter die dreifarbige serbische Fahne zu rufen. Ich bin überzeugt,
daß sie sich, wie in den früheren Jahren, würdig ihrer ruhmreichen Vor-
fahren zeigen werden, voll Vertrauen in Gott und in den schließlichen
Sieg unserer gerechten Sache! Gestützt auf die Sympathien der ganzen
zivilisierten Welt und auf die Hilfe unserer großen Verwandten und Freunde
rechnend, nehmen wir mit unseren kühnen Brüdern aus Montenegro den
Kampf auf, der uns in so zorniger Weise aufgezwungen wird. In unserer
ruhmvollen alten und neueren Geschichte zeigen viele Vorfälle, daß, wenn die
Serben einig waren, sie selbst die mächtigsten Feinde besiegt haben. Zeigen
wir noch einmal, daß wir uns für das Vaterland zu opfern wissen und daß
diese Opfer unser Vaterland vor einem frechen und starken Feind reiten werden.
Serben, verteidigt mit all Euer Kraft Eure Herde und die serbische Nation!
30. Juli. (Skupschtina.) Eröffnung der außerordentlichen
Tagung.
Die von Kronprinz Alexander verlesene Botschaft besagt, daß
Serbien zur Vermeidung des Krieges alles getan habe, was Würde und
Ehre des Landes gestatte. Die Regierung sei nicht verantwortlich. Beweis
dafür sei, daß sie die Skupschtina zur Beratung berief und die Wahlen
vertagte. Der Kronprinz betont, daß das große Rußland und sein edler
Herrscher Zar Nikolaus mit besonders großem Interesse und Sympathie
den Konflikt verfolgten. Der Zar und seine edelherzige Sorge für Serbiens
Zukunft habe ihm die besondere Zusicherung dafür gegeben, daß er sich mit
dem Schicksal Serbiens verknüpfen werde. Er erklärt weiter: Es ist mir
auch angenehm, versichern zu können, daß unsere gerechte Sache in Frankreich
und England nicht geringere Sympathie findet. Um Serbien zu isolieren,
ist man von dem Attentat von Serajewo ausgegangen, aber ohne Erfolg.
Mit Serbien gehen heute große, aber auch treue Verbündete Hand in Hand.
1. August. (Skupschtina.) Die Antwortadresse auf die
Thronrede wird mit allen Stimmen gegen die der beiden sozialisti-
schen Abgeordneten angenommen.
Sämtliche oppositionelle Abgeordneten sichern der Regierung ihre
Unterstützung zu. Abg. Laptschewitsch (Soz.) wirft der Regierung vor, sie
habe nicht alles getan, um den Krieg zu vermeiden, indem sie den Balkan-
bund sich zersetzen ließ, indem sie aus Serbien eine Brücke für Rußland
und Frankreich machte, die nur für ihre Interessen und nicht für diejenigen
Serbiens arbeiten, und indem sie die Treibereien verschiedener Geheim-
komitees, wie die der Schwarzen Hand und der Narodna odbrana, duldete,
die das Land dem Krieg entgegenführten.
Ferner wird ein Moratorium genehmigt, das bis zum 60. Tage
nach der Demobilisierung in Kraft bleiben soll, und ein außerordentlicher