Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Ilbanien. (Juni 27.—Juli 28.) 947 
dieser Frage zur ausschließlichen Kompetenz der durch die Internationale 
Kontrollkommission vertretenen Mächte. Nach dem Eintreffen ihrer Ant- 
wort wird die Kontrollkommission in voller Freiheit nach an Ort und 
Stelle vorgenommener Untersuchung die Frage von Chimara sowie die 
Frage der administrativen Unterteilung regeln. Was Ihre übrigen, dem 
Wortlaut des Abkommens von Korfu beigefügten schriftlichen Erklärungen 
betrifft, so sind sie definitiv vorgesehen und geregelt worden. Wir werden 
Ihnen die Entscheidung der Großmächte bei unserer Ankunft in Santi 
Quaranta offiziell zur Kenntnis bringen. 
27. Juni. In Wien melden sich auf privaten Aufruf hin 
etwa 2000 Personen als Freiwillige für Albanien. 
Die österreichisch-ungarische Regierung untersagt auf Grund des 
Strafgesetzbuches die Bildung des Freikorps. 
28. Juni. Ministerpräsident Turkhan Pascha tritt eine Rund- 
reise an die Höfe der Großmächte an. 
30. Juni. (Valona.) Verhängung des Belagerungszustandes. 
Anfang Juli. Weitere Fortschritte der aufständischen Albaner 
und Epiroten. 
Aus Durazzo wird am 10. gemeldet, daß Epiroten und griechische 
Freischärler alle Gebiete, die auf Grund der Londoner Abmachungen ge- 
räumt worden waren, bis auf vier Dörfer wieder besetzt haben; auch diese 
werden von den albanischen Streitkräften wegen der Aussichtslosigkeit einer 
Verteidigung geräumt werden. 
11. Juli. (Durazzo.) Unter dem Vorsitz des Fürsten findet 
eine große Versammlung von Notabeln statt, an der etwa 40 an- 
gesehene Vertreter Nord-, Mittel- und Südalbaniens teilnehmen. 
Von einigen der Teilnehmer wird dem Fürsten angeraten, sich um 
die Entsendung fremder Hilfstruppen an die Mächte zu wenden, während 
die übrigen sich dagegen aussprechen und ihre Stellungnahme dahin prä- 
zisieren, daß sich der Fürst darauf beschränken möge, von den Mächten die 
Garantie der in London festgesetzten Grenzen Albaniens zu verlangen. 
Bei dieser Gelegenheit kommt es von verschiedenen Seiten zu Sympathie= 
kundgebungen zugunsten des Fürsten. Am bemerkenswertesten spricht sich 
Issa Boljetinatz aus, der erklärt: Obwohl der Fürst nicht aus unserer 
Wahl hervorgegangen, sondern uns von Europa bestimmt worden ist, halten 
wir heute treu zu ihm. Sollte er sich gezwungen sehen, uns zu verlassen, 
so möge ein anderer dieses Mandat nicht übernehmen. Die Albanier sind 
nicht Kinder, die mit sich spielen lassen. 
22. Juli. Die Aufständischen teilen den Gesandten der Mächte 
schriftlich mit, daß sie, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden, die Ent- 
fernung des Fürsten vom albanischen Throne fordern. 
Die Gesandten beschließen, keine Antwort zu erteilen. 
27. Juli. (Valona.) Besuch des Fürstenpaares. 
28. Juli. Die Offiziere der holländischen Mission überreichen 
dem Fürsten ihr Entlassungsgesuch, da für sie keine Möglichkeit 
bestehe, ihr Mandat zu erfüllen. 
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