Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Asien. (September 5.) 1011 
Grundlagen noch zu festigen durch Sicherung dauernden Friedens in Ost- 
asien und durch Beschützung der besonderen Interessen der beiden ver- 
bündeten Mächte. Aus dem Wunsche heraus, eine friedliche Lösung zu 
ermöglichen, gab jedoch die Kaiserliche Regierung unter dem 15. August 
der deutschen Regierung folgenden Rat. Der Minister verliest das an 
Deutschland gerichtete Ultimatum (s. S. 1006) und fährt fort: Da aber bis 
zum letzten Augenblick der hierfür festgesetzten Zeit, nämlich bis zum Mit- 
tag des 23. August, eine Antwort von der deutschen Regierung nicht ein- 
traf, traten damit die beiden Staaten unglücklicherweise in den Kriegs- 
austand, woraufhin noch am gleichen Tage durch Kaiserliche Verordnung 
Deutschland der Krieg erklärt wurde. 
Was nun Oesterreich-Ungarn anlangt, das nur sehr beschränkte 
Interessen in Ostasien hat, so wünschte Japan mit ihm so lange wie mög- 
lich friedliche Beziehungen aufrechtzuerhalten, denn obwohl der ganze 
gegenwärtige Krieg von dem österreichisch-serbischen Konflikt seinen Aus- 
gang nahm, war Japans Stellung dazu natürlich ganz verschieden von 
der der europäischen Mächte. Gleichzeitig schien es, als hege Oesterreich 
denselben Wunsch der Vermeidung jeglicher Komplikationen mit Japan. 
Sobald nämlich Japan und Deutschland in Kriegszustand traten, ging 
Oesterreich die Kaiserliche Regierung um ihre Zustimmung und Vermitt- 
lung an, um dem einzigen österreichischen Kriegsschiff in Ostasien, das in 
einem japanisch-österreichischen Konflikt in Betracht kommen konnte, dem 
Kreuzer „RKaiserin Elisabeth“, die Möglichkeit zu verschaffen, nach Shanghai 
zu gehen, wo es abgerüstet werden sollte. Da aber England bereits im 
Kriegszustand mit Oesterreich war, hatte die Kaiserliche Regierung, bevor 
sie irgendeine Entscheidung treffen konnte, sich mit der englischen Regie- 
rung ins Einvernehmen zu setzen. Dies geschah, und da diese gegen die Ge- 
währung des Gesuchs nichts einzuwenden hatte, so stand die Raiserliche 
Regierung gerade im Begriff, dem österreichischen Botschafter eine dahin- 
gehende Mitteilung zugehen zu lassen, als dieser plötzlich am 27. August 
uns mitteilte, daß infolge des Vorgehens Japans gegen Deutschland seine 
Regierung ihn angewicsen habe, seinen Posten zu verlassen. Hierauf überreichte 
die Kaiserliche Regierung dem Botschafter sofort seine Pässe und instruierte 
gleichzeitig den Kaiserlichen Botschafter in Wien, seinen Posten zu verlassen. 
Damit waren die diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und Oester- 
reich--Ungarn abgebrochen. Damit ist ein Ueberblick gegeben über die Er- 
eignisse, die zum Kriege zwischen Japan und Deutschland und in der Folge 
zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und Oester- 
reich-Ungarn führten. 
Ich kann nicht schließen, ohne der amerikanischen Regierung meinen 
Dank auszusprechen für die freundliche Haltung, die sie uns in der gegen- 
wärtigen schwierigen Lage gezeigt hat. Als der Abbruch der Beziehungen 
zwischen Japan und Deutschland drohte, fragte die Kaiserliche Regierung 
die amerikanische Regierung, ob sie im Notfalle den Schutz der japanischen 
Interessen und Staatsangehörigen in Deutschland zu übernehmen gewillt 
sei, welchem Ersuchen die amerikanische Regierung sofort nachgab. In 
gleicher Weise bat die Kaiserliche Regierung auch bei Abbruch der Be- 
ziehungen zwischen Japan und Oesterreich-Ungarn die amerikanische Re- 
gierung um Uebernahme des Schutzes der japanischen Interessen und Staats- 
angehörigen in Oesterreich--Ungarn, was ebenfalls gewährt wurde. Ich be- 
nutze daher diese Gelegenheit, der amerikanischen Regierung den Dank der 
Kaiserlichen Regierung für die ihr erwiesene Freundlichkeit auszusprechen. 
Indem ich bedaure, daß Japan gezwungen war, Deutschland den Krieg 
zu erklären, bin ich glücklich in dem Glauben, daß Heer und Marine 
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