Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

1034 Inhans I. Biplematische Verhandlungen. (Juli 26.) 
andererseits zur Durchsetzung unserer Forderungen bis zun 
Aeußersten gehen würden. 
Daß wir bisher, soweit es an uns lag, bestrebt waren, den Frieden 
zu erhalten, den auch wir als das kostbarste Gut der VBölker betrachten. 
zeige der Verlauf der letzten 40 Jahre und die geschichtliche Tatsache, daß 
unser Allergnädigster Herr Sich den glorreichen Namen eines Hüters des 
Friedens erworben hat. Wir würden eine Störung des europäischen Friedens 
schon deshalb auf das lebhafteste bedauern, weil wir stets der Ansicht waren, 
daß das Erstarken der Balkanstaaten zur staatlichen und politischen Selb- 
ständigkeit unseren Beziehungen zu Rußland zum Vorteil gereichen würde, 
auch alle Möglichkeit eines Gegensatzes zwischen uns und Rußland beseitigen 
würde und weil wir immer bereit waren, die großen politischen 
Interessen Rußlands bei unserer eigenen politischen Orien- 
tierung zu berücksichtigen. Eine weitere Duldung der serbischen Um- 
triebe würde unsere staatliche Existenz untergraben und unseren Bestand 
als Großmacht, daher auch das europäische Gleichgewicht, in Frage stellen. 
Wir sind daher überzeugt, daß es Rußlands eigenstes, von seinen fried- 
lichen Staatsleitern wohlverstandenes Interesse ist, daß das gegenwärtige 
europäische, für den Weltfrieden so nützliche Gleichgewicht erhalten bleibe. 
Unsere Aktion gegen Serbien, in welcher Form immer sie erfolgt, ist 
eine durchaus konservative und ihr Zweck die notwendige Er- 
haltung unserer europäischen Stellung. 
OeR 27: Da Punkt 5 unserer Forderungen, nämlich die Beteiligung 
von k. u. k. Funktionären bei der Unterdrückung der subversiven Bewegung 
in Serbien, besonderen Widerspruch Herrn Ssasonows hervorgerufen, wollen 
Ener Exzellenz sich über diesen Punkt streng vertraulich dahin äußern, daß 
dessen Einschaltung lediglich praktischen Rücksichten entsprang und keines- 
wegs der Absicht, die Souveränität Serbiens zu tangieren. Wir denken 
bei Punkt 5 „,collaboration“ an die Errichtung eines geheimen „bureau de 
sürecté“ in Belgrad, welches nach Art der analogen russischen Einrichtungen 
in Paris funktionieren und mit der serbischen Polizei und Verwaltungs- 
behörde kooperieren würde. 
(London.) Nach Empfang des Entwurfs der serbischen Ant- 
wort erklärt Grey dem deutschen Botschafter, er hoffe, das Ber- 
liner Kabinett werde sich angesichts des versöhnlichen Inhalts dieser 
Antwort in Wien für deren Annahme verwenden (EB 27, OR 29). 
26. Juli. 
(Berlin.) Die deutsche Regierung beauftragt ihren Bot- 
schafter in Wien, der österreichisch-ungarischen Regierung Greys 
Anregung, sie möge die serbische Antwort günstig aufnehmen, zu 
übermitteln (EB 34, LR 29). 
Graf Berchtold lehnt dieses Ersuchen ab, mit der Begründung, 
daß Serbien bereits vor Ueberreichen der Antwort die allgemeine Mobil- 
machung angeordnet habe, was beweise, daß in Belgrad zu einer fried- 
lichen Austragung der Sache keine Neigung bestanden habe. Zudem em- 
spreche der Inhalt der Antwort nicht den von der Monarchie gestellten 
Forderungen (Oen 29, 30). 
(Petersburg.) Der österreichisch-ungarische Botschafter er- 
klärt Ssasonow, daß Csterreich--Ungarn keinerlei Eroberungepläne
	        
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