Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

556 Großbritannien. (August 3.—5.) 
Deutschlands ehrgeizige Pläne zu brechen, und wie wenig Sympathie ich 
auch für Deutschland und deutsche Regierungsmethoden habe, so habe ich 
doch noch geringere für Rußland und russische Regierungsmethoden. In 
äahnlicher Weise spricht der Liberale Ponsonby. Andere Redner weisen auf 
die Not und das Elend für den ärmeren Teil des Volkes hin, die der 
Krieg im Gefolge hätte. Wenn der Hunger käme und die Massen nicht 
Brot kaufen könnten, würden sie es selbst nehmen, und dann stünde die 
Revolution vor der Tür. 
In der Abendsitzung macht Grey die inzwischen eingegangene 
Mitteilung, die belgische Gesandtschaft in London habe die Nachricht er- 
halten, daß Deutschland Sonntagabend (2. August) um 7 Uhr Belgien eine 
Note gesandt habe, die Belgien freundliche Neutralität mit einem Durch- 
marsch deutscher Truppen durch belgisches Gebiet vorschlug und die Er- 
haltung der Unabhängigkeit bei Friedensschluß versprach. Belgien habe er- 
widert, daß ein Angriff auf seine Neutralität eine Verletzung des Völker- 
rechts sein würde. Die Annahme des deutschen Vorschlags bedeute ein 
Opfer der Ehre. Belgien sei entschlossen, seiner Pflicht bewußt, einem An- 
griffe mit allen möglichen Mitteln zu begegnen. Die britische Regierung 
ziehe die empfangene Information in ernstliche Erwägung. 
3. August. Eine große Anzahl englischer Universitätsprofessoren 
erläßt einen Protest gegen einen Krieg mit Deutschland. 
In dem Aufruf heißt es, Deutschland sei die Führerin in Kunst 
und Wissenschaft. Ein Krieg gegen Deutschland für Rußland und Serbien 
wäre eine Sünde gegen die Zivilisarion. 
3. August. Aufruf der Neutralitätsliga. 
Engländer, tut eure Pflicht! Haltet euer Land fern von einem 
schmählichen und unsiunigen Krieg! Eine kleine, aber mächtige Clique will 
euch in den Krieg treiben. Ihr müßt diese Verschwörung vernichten oder 
es wird zu spät sein. Fraget euch selbst: Warum sollen wir in den Krieg 
ziehen? Die Kriegspartei sagt: Wir müssen das Gleichgewicht der Kräfte 
aufrecht erhalten, denn wenn Deutschland Holland oder Belgien annektiert, 
wird es so mächtig, daß es auch uns bedroht. Aber die Kriegspartei sagt 
euch nicht die Wahrheit. Es ist vielmehr Tatsache, daß, wenn wir an der 
Seite Frankreichs und Rußlands kämpfen, das Gleichgewicht der Mächte 
gestört werden würde wie nie zuvor. Wir würden Rußland zur gewal- 
tigsten militärischen Macht auf dem Festland machen. Ihr wißt, was für 
eine Macht Rußland ist. Es ist eure Pflicht, das Land vor dem Verderben 
zu retten. Handelt, bevor es zu spät ist! 
4. August. Englische Kriegserklärung an Deutschland. (Siehe 
S. 387). 
5. August. Der deutsche Botschafter Fürst Lichnowsky verläßt 
London. 
5. August. (Unterhaus.) Ministerpräsident Asquith kündigt 
den Kriegszustand zwischen Großbritannien und Deutschland an. 
5. August. Veröffentlichung des englischen „Weißbuches“. 
(Siehe den besonderen Abschnitt im „Anhang“.) 
5. August. Erlaß einer königlichen Verfügung betr. den 
Handelsverkehr mit Feindesland.
	        
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