1080 Auhans II. Biplomatische Euthülmsens. (Anfang November.)
Erörterung des sogenannten 2:3 oder mehr Kräfteverhältnisses ist, die
immer auf eine Macht anspielt, immer nur auf Deutschland. Es ist billig
anzunehmen, daß jede Nation ihre Flotte nach ihren Bedürfnissen baur
und in Auftrag gibt, und nicht nur mit Rücksicht auf das Programm
anderer Länder. Daher wäre es die einfachste Sache für England, zu sagen:
Ich habe ein Weltreich, den größten Handel der Welt, und um sie zu be-
schützen, muß ich so und so viele Schlachtschiffe, Kreuzer usw. haben, wie
es nötig ist, um mir die Vorherrschaft zur See zu sichern, und demem-
sprechend soll gebaut und bemannt werden. Das ist das unbedingte Recht:
Ihres Landes, und niemand irgendwo würde ein Wort darüber verlieren:
und wären es 60 oder 90 oder 100 Schlachtschiffe, so würde das keinen
Unterschied machen und sicher keine Aenderung in dem deutschen Flottengeies
verursachen. Die Zahl mag die sein, die Sie für angebracht halten. Jeder
hier würde das verstehen, aber man wäre sehr dankbar dafür, wenn Deutsch-
land außerhalb der Erörterung bliebe. Denn es ist für die Deutschen sedr
beunruhigend, zu sehen, daß ihr Land von der ganzen Presse der verschie-
densten gegnerischen Parteien ständig als einzige Gefahr und Bedrohung
für England hingestellt wird, in Anbetracht der Tatsache, daß andere Länder
auch bauen, und daß dort sogar größere Flotten sind als die deutsche.
Zweifellos herrscht, wenn der Parteizank hochgeht, ein bedauernswerter
Uürteilsmangel in der Wahl der Waffen; aber ich muß wirklich dagegen
Einspruch erheben, daß das „deutsche Schiffsprogramm" allein geeigne#t
wäre, den guten Brauch auszuschließen oder einen so schädlichen zu er-
dichten, wie die „deutsche Herausforderung der britischen Vorherrschaft zur
See“. Bei dem fortgesetzten Mißtrauen könnte bei uns ein verletztes Ge-
fühl erwachen, das in den Kreisen des deutschen Flottenvereins als eines
Vertreters des Volkes den Wunsch nach Vergeltung hervorriefe; das würde
die öffentliche Meinung beeinflussen und die Regierung in eine unangenchme
Lage bringen, indem der Versuch gemacht würde, sie zu einer Aenderung
des Programms zu veranlassen, durch einen übermäßigen Zwang, der schwer
außer acht zu lassen wäre. In dem Brief, den Lord Esher kürzlich ver-
öffentlichen ließ, schrieb er, „daß jeder Deutsche, vom Kaiser bis zum letzten
Mann, den Sturz von Sir John Fisher wünsche“. Nun bin ich in Ver-
legenheit, zu sagen, ob die Aufsicht über die Grundmauern und die Ent-
wässerung der königlichen Paläste geeignet ist, jemanden für ein Urteil über
allgemeine Flottendinge zu befähigen. Soweit sie deutsche Flottensachen
betrifft, ist diese Phrase ein Stück reinen Galimathias und hat hier in den
Kreisen der „Wissenden“ große Heiterkeit erregt. Aber ich wage zu denken,
daß solche Dinge nicht von Leuten geschrieben werden sollten, die hochgestellt
sind, da sie geeignet sind, das öffentliche Gefühl hier zu verletzen. Natürlich
brauche ich Sie nicht zu versichern, daß niemand bei uns davon träumt,
England in der Wahl derjenigen zu beeinflussen, denen es die Führung
seiner Flotte anvertrauen will, oder sie in der Erfüllung ihrer edeln Auf-
gabe zu stören. Es ist anzunehmen, daß die Wahl immer auf die Besten
und Tüchtigsten fällt, und ihre Taten werden von ihren Kameraden in der
deutschen Flotte mit Interesse und Bewunderung verfolgt werden. Es ist
deshalb abgeschmackt, zu folgern, daß die deutschen Behörden für oder gegen
Personen fremder Länder in amtlichen Stellungen arbeiten; es ist ebenso
lächerlich wie unwahr, und ich weise eine solche Verleumdung hiermit
zurück. Uebrigens ist, nach meiner bescheidenen Meinung, diese ewige Er-
wähnung der „deutschen Gefahr“ ganz unwürdig der großen britischen
Nation mit ihrem Weltreich und ihrer mächtigen Flotte; darin liegt faft
etwas Lächerliches. In andern Ländern könnte man leicht daraus schließen.
daß die Deutschen ganz besonders tüchtige Kerle wären, wenn sie sogar