Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

1098 Mebersicht über die politische Eutwicklung des Jahres 1914. 
in Frankreich über die Aufrechterhaltung der teuer erkauften Vor- 
zugsstellung an der Newa wachte, und mit welcher persönlichen 
Anteilnahme man die Ausgestaltung und Durchführung der russischen 
Rüstungen verfolgte. Man trug in chauvinistischen Kreisen auch 
gar keine Bedenken mehr, die Wirkungen des russischen Bündnisses 
im Falle kriegerischer Verwicklungen in breiter OÖffentlichkeit zu 
erörtern. So konnte die „Kölnische Zeitung“ am 10. März sehr 
bezeichnende Darlegungen der „France Militaire“ über den Inhalt 
des russisch-französischen Marineabkommens und die der russischen 
Flotte in einem Kriege mit Deutschland zugewiesenen Aufgaben 
mitteilen (S. 811 f.). Auch der Besuch des russischen Marine- 
generalstabschefs in Paris im Juni (S. 665, 1078) verfolgte ein- 
gestandenermaßen den Zweck, die durch die Marinekonvention von 
1912 eingeleiteten Verbindungen aufrecht zu erhalten und fester 
zu knüpfen. Die bereits beim Jahresbeginn bedeutsam angekündigke 
Reise des Präsidenten Poincaré nach Rußland (S. 832 ff.), die 
angeblich dazu dienen sollte, die Mißstimmung gewisser russischer 
Kreise über die Haltung Frankreichs in der orientalischen Frage 
zu beseitigen, gestaltete sich in Wirklichkeit zu einer politischen 
Demonstration größten Stils, zu einer vorbehaltlosen französisch- 
russischen Solidaritätserklärung, die angesichts der gespannten 
politischen Lage in jenen Tagen die schwerwiegendsten Folgen 
zeitigen mußte. In diesem Sinne wurde sie auch von den Kriegs- 
hetzern beider Länder mit hellem Jubel begrüßt. Man braucht 
zur Veranschaulichung der von dieser Seite in jenen Tagen be- 
triebenen gefährlichen Stimmungsmache nur die Hymnen zu lesen, 
die der „Matin“ am 18. und 20. Juli (S. 671, 832) der russischen 
Armee, der stärksten Militärmacht der Welt, widmete oder der 
Willkommworte sich zu erinnern, die das Amtsblatt des russischen 
Kriegsministeriums im Namen des militärischen Rußlands, „das 
mit geistigem Auge über Frankreich bereits die alten Siegeskränze 
erblickt", an die französischen Gäste richtete, und die der „gemein- 
samen und heiligen Hoffnung“ gedachten, die „in den Regimentern 
und Geschwadern Rußlands lebt und die Krieger in ihrer schweren 
Arbeit begeistert“ (S. 834). Zur Vorsicht mahnende Stimmen, wie 
sie etwa Jean Jaures am 6. Juli bei der Beratung der Kredite für die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.