Mebersicht iber die pelitisczhe Entwichluns des Jahres 1914. 1131
noch am 1. August den britischen Botschafter in Petersburg, Ssa-
sonow die Erklärung abzugeben, es scheine ihm (Grey) noch immer
möglich zu sein, den Frieden zu bewahren, wenn, in Anbetracht der
Annahme der Vermittlung seitens Österreichs, Rußland mit seiner
Mobilisierung einhalten könnte; aber diese Anregung kam, wenn
sie von Grey wirklich ernst gemeint war, zu spät.
Wir stehen somit vor der nicht wegzuleugnenden Tatsache,
daß die beiden durch die beharrliche Mitwirkung der
deutschen Regierung geschaffenen Verständigungsformen,
die einen europäischen Konflikt hätten verhindern können, die di-
rekten Besprechungen zwischen Öfterreich und Rußland
und die Vermittlung zwischen Österreich und Serbien
durch die Großmächte, an dem unbeugsamen Kriegswillen
Rußlands gescheitert sind.
Dieser ursächliche Zusammenhang ist gewiß auch Sir Edward
Grey nicht entgangen. Hätte er also seine Vermittlerrolle ehrlich
durchführen wollen, so mußte er die russische Mobilmachung, über
deren verhängnisvolle Folgen ihn Deutschland nicht im unklaren
gelassen hatte, mit einer sofortigen scharfen Verwarnung in Peters-
burg beantworten. In Wirklichkeit fand Grey kein mißbilligendes
Wort für Rußlands intransigente Haltung; vielmehr traf er sofort
die letzten Vorbereitungen, um Englands Eintritt in den Krieg
wirkungsvoll zu inszenieren. Bereits am Nachmittag des 29. hatte
Grey dem deutschen Botschafter mit nicht mißzuverstehender Deutlich= CEnglands
keit auseinandergesetzt, er möge sich durch den freundschaftlichen Ton Hroppenche
ihrer Unterredung nicht zu der irrigen Annahme verleiten lassen,
daß England in dem Konflikt der Großmächte beiseite stehen würde.
Angeblich sollte diese vertrauliche Eröffnung auf die Kriegslust
Deutschlands, das mit der unbedingten Neutralität Englands rech-
nete, dämpfend einwirken; tatsächlich war es nur eine kräftige Er-
munterung für die Kriegspartei in Frankreich und Rußland. Denn
noch ehe Grey dem deutschen Botschafter diese entscheidende Mit-
teilung machte, hatte er bereits den französischen Botschafter von
dem beabsichtigten Schritte in Kenntnis gesetzt und ihn über die
künftige Haltung Englands eingehend aufgeklärt, worauf Paul
Cambon das Ergebnis der Greyschen Darlegung treffend dahin zu-