Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

1142 Mebersicht über die pelitische Entmicklung des Jahres 1914. 
in der er die Durchführung einer tätigen und wachsamen Neu- 
tralität, die imstande sei, die vitalen Interessen Italiens zu schützen, 
als Regierungsprogramm ausfstellte, begegnete gerade dank dieser 
schillernden, die gegenteiligsten Wünsche und Hoffnungen befriedigen- 
den Fassung allgemeinem Beifall. Immerhin kam, im Senate deut- 
licher als in der Kammer, die Meinung zum Ausdruck, daß Italien 
seine Neutralität dauernd bewahren müsse und sich nicht vorbehalten 
dürfe, „in den Kampf einzutreten, um dem Besiegten den Gnaden- 
stoß zu geben“ (S. 736). Wenn bei diesem Anlaß Ministerpräsident 
Salandra versicherte, Italien habe seine Neutralität bedingungslos 
erklärt, „wenn wir sie verschachert hätten, so hätten wir fie auch 
entehrt“ (S. 736 f.), so muten diese tugendstolzen Worte sehr selt- 
sam an angesichts der Tatsache, daß die italienische Regierung ge- 
rade damals im Begriffe stand, seine Kompensationsansprüche gegen- 
über Österreich aufs neue geltend zu machen. Die deutsche Regie- 
rung wird sich über den bedenklichen Charakter dieser Chantage- 
politik keiner Täuschung hingegeben haben; gleichwohl würdigte sie 
verständnisvoll die Tatsache, daß „das apenninische Königreich sich 
bei europäischen Entscheidungen nicht ausschalten lassen könne“ und 
bekundete durch die Sendung des Fürsten Bülow (S. 732), welche 
Bedeutung sie der Aufrechterhaltung guter Beziehungen zwischen 
den Dreibundmächten beimaß. Als daher die italienische Regierung 
nach dem österreichischen Einmarsch in Serbien seine Kompensations- 
forderungen selbst für den Fall anmeldete, daß diese Besetzung 
serbischen Gebietes nur eine zeitweilige sein sollte (S. 735), zeigte 
sich die deutsche Regierung angelegentlich bemüht, das Wiener 
Kabinett zu Verhandlungen über Kompensationen mit Italien zu 
veranlassen (S. 737) und dadurch die Grundlage für einen dauernden 
Ausgleich der Interessengegensätze zu schaffen, ein Bemühen, das 
freilich an der inneren Unaufrichtigkeit und Zwiespältigkeit der 
italienischen Politik schließlich scheitern mußte. 
Rumäniens Gleich Italien hat auch Rumänien bei Kriegsbeginn den 
uwohiwon Zentralmächten seine Unterstützung verweigert, obwohl König Carol, 
tralität. in dem der Ehrbegriff des preußischen Offiziers allezeit lebendig 
geblieben war, seinen ganzen Einfluß dafür einsetzte, um die gegen- 
über Österreich-Ungarn bestehende Verpflichtung in Wirksamkeit
	        
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