Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Nebersicht über die politische Eutwin#lung des Jahres 1914. 1167 
und durch ihre Folgeerscheinungen zerrüttenden Angelegenheit ent- 
wickelt. Während für das liberale Kabinett, das die Unterstützung 
der irischen Nationalisten nicht entbehren konnte, die Durchbringung 
der Homerulevorlage nachgerade zu einer Daseinsfrage geworden 
war, zeigten sich die protestantischen Unionisten Nordirlands, die 
von einer staatlichen Gemeinschaft mit der katholischen Mehrheit 
Irlands eine schwere Gefährdung ihrer wirtschaftlichen und sozialen 
Eigenart befürchteten, fester als je entschlossen, sich der Ausdehnung 
des Gesetzes auf Ulster mit allen Mitteln, wenn nötig mit Waffen- 
gewalt, zu widersetzen. Auf seiten der irischen Nationalisten bestand 
andererseits nicht die geringste Neigung, einem dauernden Ausschluß 
der Ulsterprovinz, die den kapital= und steuerkräftigsten Teil des 
Landes bildete, zuzustimmen. Der einzige Weg, dessen Beschreitung 
normalerweise der Sachlage entsprochen hätte, das Parlament auf- 
zulösen und die Frage durch allgemeine Wahlen dem Lande zu 
unterbreiten, war für die Regierung, deren Sturz in diesem Falle 
vorauszusehen war, ungangbar. Sie sah sich daher vor die heikle 
Aufgabe gestellt, durch Kompromisse und Zugeständnisse an die 
Opposition einen Ausgleich der bestehenden Gegensätze zustande zu 
bringen. Am 9. März entwickelte Premierminister Asquith im 
Unterhaus den mit größter Spannung erwarteten Vermittlungs- 
vorschlag der Regierung (S. 523), der dahin ging, durch eine Ab- 
stimmung der einzelnen Grafschaften von Ulster die von der Wir- 
kung des Homerulegesetzes auszuschließenden Gebiete festzusetzen und 
diesen Ausschluß auf sechs Jahre zu beschränken, nach deren Ab- 
lauf über das endgültige Schicksal Ulsters entschieden werden sollte. 
Von der Oppofition, die darin ein Todesurteil für Ulster sah, 
dessen Vollstreckung nur auf sechs Jahre hinausgeschoben sei, wurde 
dieser Vorschlag schroff abgelehnt und mit offener Kampfansage be- 
Irische 
Homerule- 
bill. 
antwortet. Die Lage in Irland spitzte sich derart zu, daß militärische ulstertrise. 
Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffen werden 
mußten. Daraufhin reichten zahlreiche Offiziere, die nicht gegen 
das königstreue Ulster vorgehen wollten, am 20. März ihr Ab- 
schiedsgesuch ein (S. 528); sie kehrten jedoch wieder auf ihren Posten 
zurück, nachdem sie vom Kriegsminister die Zusicherung erhalten 
hatten, sie würden nicht gegen Ulster benutzt werden. Diese in Hin-
	        
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