Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Erobritannien. (August 24. 25.) 565 
10. Besteht in Anbetracht der hoffnungslosen strategischen Position, 
in der sich Deutschland jetzt befindet, auch nur die Spur einer begründeten 
Annahme dazu, daß der gegenwärtige Krieg das Ergebnis einer deutschen 
Verschwörung gegen England ist? — Nein. 
11. Ist es möglich oder wünschenswert, daß das Deutsche Reich 
zerrüttet und seine natürliche Ausdehnungsmöglichkeit für immer gehemmt 
werde? — Nein. 
12. Ist es wahrscheinlich, daß die Wegnahme aller deutschen Kolo- 
nien aus Deutschland in Zukunft einen passiven und unterwürfigen Staat 
macht? — Nein. 
13. Herrschte im britischen Bolke vor Ausbruch des Krieges irgend- 
welche feindliche Gesinnung gegen Deutschland? — Nein. 
14. Haben wir Grund anzunehmen, daß schon seit längerer Zeit 
das amtliche England eine stetige antideutsche Politik verfolgt hat? — Ja. 
Ein Gesinnungsgenosse Ponsonbys, der Philosoph B. Russell, hat 
in einem offenen Brief an die „Nation“ behauptet, daß Greys Telegramm 
vom 1. August (EBl. 123, s. Anhang) deutlich zeigt, „daß die Neutralität 
und die Integrität Frankreichs und seiner Kolonien und die maritime 
Verteidigung der Nord- und Westküste Frankreichs bloße Vorwände waren, 
und daß, selbst wenn Deutschland in allen diesen Punkten auf unsere For- 
derung eingegangen wäre, England trotzdem die Neutralität nicht ver- 
sprochen hätte“. 
24. August. Das allgemeine Moratorium wird für ganz 
Großbritannien bis zum 4. Oktober verlängert. 
W. August. (Unterhaus.) Kriegsfragen. 
Premierminister Asquith erklärt in Beantwortung verschiedener An- 
fragen, daß nicht beabsichtigt sei, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen. 
Beifall.) Er bezieht sich auf Lord Kitcheners Erklärung im Oberhause, daß 
der Werbeaufruf Erfolg gehabt habe. Austin Chamberlain fragt den Schatz- 
kanzler, ob er geneigt sei, Abzüge auf die Erbschaftssteuer eintreten zu 
lassen, wenn es sich um gefallene Militärs handle. Der Schatzkanzler Llond 
George erwidert, die Frage sei erwogen worden. Auf eine weitere An- 
frage, ob beabsichtigt sei, die Nationalreserve einzuberufen, und zu welchem 
Zeitpunkt, ergeht von der Regierungsbank der Bescheid, daß die gegen- 
wärtigen Mannschaften dieser Reserve einberufen seien. Im Zusammenhang 
mit der Bewegung für einen Rednerfeldzug, der das Volk über die Ur- 
sachen des Krieges aufklären und die Werbung fördern sollte, stellt Sir 
F. Banbury eine entsprechende Anfrage. Asquith erklärt sich dahin, daß 
Mitglieder aller Parteien des Hauses ausgezeichnete Dienste geleistet hätten, 
indem sie die Oeffentlichkeit auf das Bedürfnis zahlreicherer Anwerbungen 
hingewiesen hätten. Er vertraue darauf, daß diese patriotischen Bemühungen 
nicht nachlassen, sondern im weitern Verlauf noch eindringlicher werden 
würden. Lord Kitchener bedürfe aller Rekruten, die er haben könne. Der 
Abg. Lee erwähnt, es bestehe die Meinung, daß mit 100000 Mann 
allem Genüge getan sei, und daß diese Meinung nicht aufkommen dürfe. 
Der Premierminister stimmt bei, daß diese Ansicht irrig sei, und daß das 
Reich aller Rekruten bedürfe. Der Unterstaatssekretär des Kriegsamts gibt 
noch bekannt, daß gemäß einer Weisung an die Militärärzte bei der An- 
werbung kein organisch gesunder Mann abgelehnt werden dürfe wegen 
schlechter Zähne, außer wenn die Ursache dieses Uebels Unterernährung 
sei. Bis zum Alter von 42 Jahren könnten Soldaten sich für die Nord- 
armee anwerben lassen. Im weitern Verlauf der Sitzung gibt die Regie-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.