584 Großbrilannien. (Ende September.)
und den Beamten des kaiserlichen Auswärtigen Amtes nichts als Höflichkeit
empfing. Etwa um 11 Uhr am gleichen Morgen händigte mir Graf Wedel
meine Pässe ein, die ich früh am Tage schriftlich verlangt hatte, und sagte
mir, er sei beauftragt worden, sich mit mir über den Weg zu unterhalten,
welchen ich für meine Rückkehr nach England wählen würde. Er habe ge-
hört, ich zöge die Reise über Hoek van Holland der über Kopenhagen vor.
Infolgedessen habe man Vorbereitungen für die erstere Route getroffen,
doch würde ich dann bis zum folgenden Morgen warten müssen. Er brachte
mir auch einen reizenden Brief von Herrn v. Jagow, der in den freund-
lichsten Ausdrücken abgefaßt war. Die Nacht verlief ruhig ohne irgend-
welchen Vorfall. Am Morgen war eine starke Polizeimacht auf dem üblichen.
Wege zum Lehrter Bahnhof aufgestellt, während die Botschaft durch Seiten-
straßen in Automobildroschken zum Bahnhof hindurchgeschmuggelt wurde.
Dort hatten wir keinerlei Belästigungen zu erdulden, und es blieb uns die
von der Menge meinem russischen und französischen Kollegen zuteil ge-
wordene Behandlung erspart. Graf Wedel traf uns am Bahnhof, um
namens des Herrn v. Jagow Lebewohl zu sagen und nachzusehen, ob alle
für unsere Bequemlichkeiten angeordneten Vorkehrungen vorschriftsmäßig
ausgeführt seien. Ein pensionierter Gardeoberst begleitete den Zug zur
deutschen Grenze und war überaus freundlich in seinen Bemühungen, die
großen Menschenmassen, welche die Bahnhöfe bei jedem Haltepunkt des
Zuges anfüllten, von Beleidigungen abzuhalten. Aber außer dem Heulen
patriotischer Gesänge und einigen wenigen Hohnworten und beleidigenden
Bewegungen hatten wir uns auf unserer ermüdenden Reise zur deutschen.
Grenze wirklich über nichts zu beklagen.
Der Bericht Sir M. de Bunsens an Sir E. Grey lautet:
Die Schnelligkeit, mit der die Ereignisse während der Tage vor dem
Ausbruch des europäischen Krieges sich abgespielt haben, machte es damals
schwierig, mehr zu leisten, als die Entwicklung durch den Telegraph ge-
meldet. Ich will nunmehr einige Erörterungen hinzufügen:
Der Ueberreichung der österreichisch-ungarischen Note an
Serbien am 23. Juli in Belgrad war eine Zeit der völligen Ruhe auf
dem Ballplatz vorangegangen. Außer v. Tschirschky, der von dem Inhalt,
wenn nicht von dem Wortlaute der Note selbst Kenntnis gehabt haben muß,
war es keinem meiner Kollegen gegönnt, den Schleier zu durchschauen.
Am 22. und 23. Juli hatte der französische Botschafter, Dumaine, eine
längere Unterredung mit Baron v. Macchio, einem der Unterstaatssekretäre
für die auswärtigen Angelegenheiten, die ihm den Eindruck hinterließ, daß
die Worte, die er an die österreichisch-ungarische Regierung zu richten an-
gewiesen war, nicht vergebens gewesen seien, und daß in der Note, die
ausgefertigt werden sollte, sich nichts vorfinden würde, dem ein Staat, der
sich selbst achtet, zu entsprechen zögern würde. Bei der zweiten dieser Unter-
redungen wurde ihm nicht einmal mitgeteilt, daß die Note in demselben
Angenblick in Belgrad überreicht und daß sie am folgenden Morgen in
Wien veröffentlicht werden würde. Graf Forgach, der andere Unterstaats-
sekretär, hatte nämlich die Güte gehabt, mir an demselben Tage den wahren
Charakter der Note sowie die Tatsache ihrer Ueberreichung anzuvertrauen,
die in dem Augenblick unseres Gesprächs stattfand. So wenig hatte der
russische Botschafter Kenntnis von dem, was im Gange war, daß er Wien
zu vierzehntägigem Urlanb tatsächlich verließ. Er war erst einige Tage
abwesend, als die Ereignisse ihn zur Rückkehr nötigten. Man hätte an-
nehmen können, daß der Herzog von Avarna, der Botschafter des verbün-
deten italienischen Königreichs, das durch neue Verwicklungen auf dem
Balkan so nahe mitbetroffen werden würde, mit in das volle Vertrauen