Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

596 Grofbritennien. (Oktober 18.—21.) 
gegen Deutschland beginnen wie seinerzeit gegen Napoleon, als ganz Europa 
ihm zu Füßen lag. Noch sind wir aber nicht soweit, denn wenn Deutsch- 
land nicht sehr viel besser abschneidet als bisher, werden die Verbündeten 
das Feld behaupten und fortfahren, einen gleichen Druck auf Deutschland 
auszuüben, wie wir zur See. 
18. Oktober. W. Churchill erläßt einen Tagesbefehl an die 
Matrosenbrigade aus Anlaß ihrer Rückkehr von Antwerpen. 
Der Lord spricht allen Dienstgraden seinen Glückwunsch aus und 
bestätigt ihnen, daß sie ihrer Pflicht bewunderungswürdig genügt und das 
in sie gesetzte Vertrauen vollauf gerechtfertigt hätten. Die Brigade habe 
bewunderungswürdig im Artilleriefeuer gestanden, und es sei bedauerlich, 
daß sie keine Gelegenheit gehabt habe, in nähere Fühlung mit der Infanterie 
des Feindes zu kommen. Die Brigade sei dazu bestimmt worden, nach 
Antwerpen zu gehen, weil die Not dringend und bitter gewesen sei und 
mobile Truppen für Festungszwecke nicht zur Verfügung gestanden hätten. 
Die Ausbildung der Brigade, obwohl unvollständig, sei derjenigen des 
größten Teils der angreifenden Streitkräfte ebenbürtig gewesen. Die Bri- 
gade sei von Antwerpen zurückgezogen worden mit Rücksicht auf die all- 
gemeine strategische Lage und nicht infolge eines Angriffs oder Druckes. 
des Feindes. Das Eintreffen der Brigade habe eine Verlängerung der 
Verteidigung um fünf oder sechs Tage gegen 60000 Deutsche ermöglicht. 
Die Wirkung dieser Tatsache auf die allgemeine Lage sei im Augenblick 
unberechenbar. 
20. Oktober. Der englische Dampfer Glitra wird von einem 
deutschen Unterseeboot an der norwegischen Küste versenkt. 
Der norwegische Admiral Börrissen schreibt im „Morgenblad“ am 
22.: Die Nordsee erlebte vor Norwegens Küste eine Premiere auf dem Ge- 
biet des großen Kriegsdramas, eine Unterseebootspremiere, wo der Held 
ein Kapergast war, der aus der Meerestiefe aufstieg. Alle alten Begriffe 
geraten ins Wanken. Welche Fernblicke eröffnet nicht die Tat des deutschen 
Unterseebootes? Was nützt ein Begleitschiff gegen einen solchen Jack in 
the Box? Die Kreuzer müssen mit Volldampf verschwinden; sobald er auf- 
schnellt. Das Unterseebot war 600 Tonnen groß. Es würde keine Schwierig- 
keiten machen, viel größere mit einem größern Aktionsradius zu bauen. 
Wie können englische Kreuzer Englands Handel und Verbindungen über 
die See gegen diese pests, wie die Times sie nennt, beschützen? Sndes ist 
die englische und die deutsche Schlachtflotte untätig. Die alten Mitspieler 
haben der Szene den Rücken gewandt und das ganze Kriegstheater dem 
neu entdeckten Genius überlassen, der eine vielseitige Rolle spielt, als Ret- 
tungsmann, Totschläger und Kapergast. Dieser große Akteur auf dem zu- 
künftigen Kriegstheater zur See wird mancher Nation unangenehme Ueber- 
raschungen bereiten und alten Begriffen den Laufpaß geben. Hat Deutsch- 
land auch jetzt nicht genügend Unterseeboote, so kann doch viel geschehen 
in den vielen Jahren, die nach den „Times"“ der Krieg dauern wird. 
21. Oktober. Englisch-japanische Freundschaft. 
Churchill richtet ein in herzlichen Ausdrücken gerichtetes Telegramm 
an den japanischen Marineminister und drückt ihm seine Wertschätzung für 
die Energie aus, womit die japanische Flotte die Sache der Verbündeten 
stütze. In seinem Antworttelegramm spricht der japanische Minister seine 
tiefe Genugtuung über die vollkommene Harmonie aus, die zwischen den
	        
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