Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

VIII. 
Römische Kurie. 
2. Jan. Papst Benedikt XV. richtet an die kriegführenden 
Staaten den Vorschlag eines Austausches der für den Militärdienst 
künftig untauglichen Kriegsgefangenen. 
Aus diesem Anlaß findet ein Telegrammwechsel zwischen dem Papst 
und Kaiser Wilhelm II. und Kaiser Franz Joseph statt. Die letzteren er- 
klärten ihre freudige Zustimmung. (Den Wortlaut der Telegramme s. Beck'sche 
Chronik des Deutschen Krieges Bd. II S. 363 f.) Auch England, Montenegro, 
Serbien und die Türkei erteilten laut „Giornale d'Italia“ günstige Ant- 
worten. Frankreich ließ seine Zustimmung offiziös erklären. Im Vatikan 
wird die Zahl der für den Austausch in Betracht kommenden Leute auf 
mindestens 150000 geschätzt. 
22. Jan. Der Papst hält im Konsistorium eine Ansprache, 
in der er von neuem seinen tiefen Schmerz über den unheilvollen 
Krieg ausdrückt. 
Er sagt, Monat um Monat verstreiche, ohne daß auch nur von ferne 
die Hoffnung sich zeige, daß das Blutbad ein Ende nehmen werde. Wenn 
er auch das Ende dieser Geißel nicht herbeiführen könne, habe er sich doch 
bemüht und bemühe sich noch, die schmerzlichen Folgen zu lindern. Der 
Papst erklärt, daß es sicherlich weder ratsam noch nützlich sein würde, wenn 
die päpstliche Autorität sich in die Zwistigkeiten der Kriegführenden einmischen 
würde. Der Heilige Stuhl müsse vollkommen unparteiisch bleiben. Der 
römische Pontifex muß als Vertreter Jesu Christi, der für alle und jeden 
gestorben ist, mit dem gleichen Gefühl der Liebe alle Kämpfenden um- 
fassen, und er hat außerdem als gemeinsamer Vater der Katholiken sowohl 
auf der einen wie auf der anderen Seite der Kriegführenden eine große 
Zahl von Kindern, deren Heil ihm gleichmäßig und ohne Unterschied am 
Herzen liegen muß. Es ist daher notwendig, daß er in ihnen nicht die 
Sonderinteressen sieht, die sie trennen, sondern das Band des gemeinsamen 
Glaubens, das sie zu Brüdern macht. Wenn er anders handeln wollte, 
so würde er nicht nur die Sache des Friedens nicht fördern, sondern er 
würde Abneigung und Haß gegen die Religion schaffen und die Ruhe und 
Eintracht der RKirche schweren Störungen aussetzen. Inzwischen halte er 
seine Hilfe für beide Teile bereit und weise sie in gleicher Weise auf beide 
Teile hin. Er appelliere an das Gefühl der Menschlichkeit bei denjenigen, 
welche die Grenze von Feindesland überschritten haben, um sie zu be- 
schwören, daß sie die besetzten Gegenden nicht mehr verwüsten werden, als 
es unbedingt durch die Notwendigkeit der militärischen Besetzung erforderlich 
sei. Und was noch wichtiger ist, damit die Geister der Einwohner nicht 
ohne wahren Grund in dem, was ihnen am teuersten ist, gekränkt werden, 
wie in den Kirchen und den Dienern Gottes und in den Rechten der Re- 
ligion und des Glaubens. Hingegen denjenigen, die ihr Vaterland vom
	        
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