Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiunddreißigster Jahrgang. 1916. Zweiter Teil. (57b)

Schweiz. (Dez. 12.—22.) 331 
nieren, stehe der Bundesrat etwas skeptisch gegenüber, jedenfalls müsse zu- 
nächst die Internierung der Verwundeten und Leidenden zu gutem Ende 
geführt werden. Inzwischen habe der Bundesrat die deutsche und französische 
Regierung um statistische Anhaltspunkte über den Umfang, den die Inter- 
nierung der Familienväter annehmen könne, gebeten. Die von Ador vor- 
geschlagene Zurückgabe von Gebesserten und Geheilten an ihre Staaten wird, 
wie Bundesrat Hoffmann weiter mitteilt, augenblicklich erwogen. Die fran- 
zösische Regierung habe dem schweizerischen Bundesrate ihre grundsätzliche 
Zustimmung dazu gegeben, daß gewisse geheilte Tuberkulöse ohne Rücksicht 
auf die gegenseitige Zahl unter der Bedingung zurückgegeben werden könnten, 
daß sie nicht zum Frontdienst verwendet würden. 
12. Dez. Der Bundesrat nimmt die Stempelsteuervorlage an. 
Er beantragt bei der Bundesversammlung die Aufnahme eines Ver- 
sassungsartikels, der den Bund befugt, Stempelabgaben auf Geschäftsurkunden, 
ausgenommen Urkunden des Immobilienverkehrs, zu erheben. Ein Fünftel 
des Reinertrages der Stempelabgaben fällt den Kantonen zu. 
13. Dez. (Nationalrat.) Vermehrung der Bundesräte. 
Der von dem Genfer Micheli begründete Antrag, der den Bundesrat 
einlädt, die Frage zu prüfen, ob nicht die Zahl der Mitglieder des Bundesrats 
von sieben auf neun erhöht werden soll, wird einstimmig angenommen. Der 
Antragsteller fordert die Vermehrung der Bundesräte zum Zwecke einer 
besseren Vertretung der verschiedenen sprachlichen Minderheiten und politischen 
Minderheitsparteien in der Regierung. Im Namen des Bundesrats gibt 
Bundespräsident Decoppet eine Erklärung ab, daß er den Antrag unter 
Vorbehalt näherer Prüfung der ganzen Angelegenheit annehme. 
14. Dez. Die vereinigte Bundesversammlung wählt zum Bundes- 
präsidenten für das Jahr 1917 den Bundesrat Edmund Schultheß, 
den Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements. 
Zum Vizepräsidenten wird Bundesrat Calonder gewählt. 
19. Dez. (Nationalrat.) Finanzlage. 
Bundesrat Mottoa führt aus: Die Mobilisationsschuld werde bis Jahres- 
schluß eine halbe Milliarde betragen. Es komme der Gesamtfehlbetrag der 
Jahre 1914 bis 1917 in der Höhe von 125 Millionen Franken hinzu. Wenn 
nicht auf der Weltbühne kürzlich ein Ereignis eingetreten wäre, hätte man 
sogar mit wenigstens 800 Millionen Mobilisationsschuld und Defizit rechnen 
müssen. Aber, sagt Motta, wir wollen auf einen gerechten und billigen Frieden 
hoffen. Folgendes ist, wie er ausdrücklich betont, das Finanzprogramm des 
Bundesrats und nicht nur des Finanzdepartements: 1. Eine eidgenössische 
Stempelsteuer, deren Ertrag auf etwa 11½/ Millionen geschätzt wird. 2. Die 
Belastung des Tabaks. Der notwendige Ertrag von 20 Millionen könne nur 
durch ein Tabakmonopol aufgebracht werden. Die Organisation solle möglichst 
unbureaukratisch gestaltet werden und nicht in der Bundesverwaltung selber 
stecken. 3. Eine Erweiterung des Alkoholmonopols mit einem Ertrage von 
3 Millionen. 4. Die Verbesserung der Militärersatzsteuer. Wenn auch 1917 
ein Kriegsjahr sei, müsse auch die eidgenössische Kriegssteuer im Sinne einer 
zeitweiligen Vermögenssteuer wiederholt werden. Der Landesreichtum sei 
viel größer als Nationalökonomen angenommen hätten, nämlich wohl dreißig 
Milliarden. Eine direkte Bundessteuer lehnt der Bundesrat ab, da sie gegen- 
wärtig ein Moment der Zwietracht für das ganze Land bilden würde. 
22. Dez. Die Bundesversammlung vertagt sich, nachdem der
	        
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