Peutsches Peich. (April 24.—Mai 1.) 451
Friedensjahres 1913. Ueber die Weiterentwicklung seit Ende Febr. kann
ich eine interessante Einzelangabe machen. Die Kohlenausfuhr Schottlands
hat in der ersten Aprilwoche 103000 T. gegen 194000 T. im Vorjahr be-
tragen, seit Beginn des Jahres 1783000 T. gegen 2486000 T. im Vor-
jahre. Dies läßt einen Rückschluß zu, wie der U.Bootkrieg die Eisenbahnen
und Kriegsbetriebe der Verbündeten Englands an der Wurzel trifft. Lloyd
George hat in einer großen Rede am 22. Febr. d. J. den Engländern ge-
zeigt, wie sie sich durch Vermehrung der Produktion im eigenen Land gegen
die Wirkungen des U.Bootkrieges schützen könnten. Die Durchführbarkeit
und Wirkung seiner Ratschläge ist mehr als zweifelhaft. Er hat aber ganz
darauf verzichtet, seinen Verbündeten zu sagen, welches Mittel er ihnen
gegen die Drosselung der Kohlenzufuhr empfiehlt.
Ich komme zum wichtigsten Punkte, zu der Lebensmittelsituation
Englands. Zunächst möchte ich einige lapidare Ziffern über die Abhängig-
keit Englands von der überseeischen Lebensmittelzufuhr in ihr Gedächtnis
zurückrufen. Der Anteil der Einfuhr am britischen Gesamtverbrauch betrug
im Durchschnitt der letzten Friedensjahre: beim Brotgetreide nahezu 80%,
bei dem Futtergetreide (Gerste, Hafer, Mais), die als Ersatz und zur
Streckung von Brotgetreide verwendbar sind, 50 % , beim Fleisch mehr als
40% , bei der Butter 60 bis 65% . Der Zuckerbedarf mußte mangels einer
einheimischen Erzeugung ganz durch die Einfuhr gedeckt werden. Ich erinnere
weiter daran, daß unsere U-.Boote, soweit Englands Nahrungssituation in
Frage kommt, unter ganz besonders günstigen Bedingungen kämpfen: Der
Weltrekordernte des Jahres 1915 ist die Weltmißernte des Jahres 1916
gefolgt — ein Minderertrag von 45 bis 50 Mill. TB, an Brot- und Futter-
getreide. Am stärksten betroffen sind die für England am günstigsten ge-
legenen Bezugsgebiete Nordamerikas. Die Wirkungen treten jetzt, nachdem
die reichlichen Bestände aus der alten Ernte aufgezehrt sind, von Tag zu
Tag und überall schärfer in Erscheinung. Argentinien hat ein Getreide-
ausfuhrverbot erlassen.
Wie in den Vereinigten Staaten die Dinge stehen, ergibt sich aus
folgenden Zahlen: Das Ackerbaudepartement schätzt die Vorräte an Weizen,
die sich am 1. März 1917 noch in den Händen der Farmer befanden, auf
101 Mill. Bushel, das sind wenig mehr als 2½ Mill. T. Um dieselbe Zeit
des Vorjahres waren diese Bestände noch 241 Mill. Bushel. Niemals, so-
weit ich die Zahlen zurückverfolgt habe, waren die Bestände auch nur an-
nähernd so gering. Für die Bestände an Mais gilt dasselbe. Einem Vorrat
von 1138000 Bushels am 1. März 1916 stehen in diesem Jahre nur 789000
Bushels gegenüber. Die außerordentliche Knappheit der Vorräte spitzt sich
zur Panik zu. Die Preisbewegung in den letzten Wochen ist geradezu phan-
tastisch. Mais, der in Chicago Anfang Jan. 1917 noch 95 Cts. notierte,
stieg bis Anfang April auf 127 Cts., und bis zum 25. April weiter auf
148 Cts. Weizen in New Vork, der im Juli 1914 sich auf 87 ¼ Cts. stellte
und Anfang 1917 bereits auf 191 ½ Cts. angekommen war, stieg Anfang
April auf 229 Cts. und notierte am 25. April gar 281 Cts. — drei und ein-
halbmal soviel wie im Frieden! In deutschem Geld zum Friedenskurs
bedeuten die 281 Cts. etwa 440 M. pro Tonne, zum jetzigen Dollarkurs
etwa 580 M. pro Tonne. So sieht das Gebiet aus, das England in dem
von ihm selbst freventlich begonnenen Hungerkrieg helfen soll!
In England selbst werden über Einfuhren und Bestände von Ge-
treide keine Ziffern mehr veröffentlicht. Ich kann aber folgendes sagen:
An dem letzten Tage der Bestandsveröffentlichung, am 13. Jan. 1917, be-
trugen die sichtbaren Weizenbestände Englands 5,3 Mill. Quarters gegen 6,3
und 5,9 Mill. Quarters in den beiden Forjahren. Vom Jan. bis zum Mai
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