484 Beutsches Reich. (Mai 4.—8.)
Parteiverhältnisse eine feste Grundlage geschaffen werden kann, die den
Schwankungen der Zufallswahlergebnisse nicht mehr ausgesetzt ist. Erst auf
dieser Grundlage kann sich nach Ansicht der Fraktion der Stamm geschulter
Parlamentarier entwickeln, der für die Ausübung eines größeren parla-
mentarischen Einflusses notwendig ist. Auch mit dieser Frage wird sich
der Verfassungsausschuß zu beschäftigen haben. Als weitere Vorbedingung
kommt eine Verständigung unter den Parteien hinzu, damit sich
feste Mehrheitsverhältnisse bilden können. Auch dies muß eine Frucht
der Entwicklung sein, wenn es Bestand haben soll. Notwendig dazu ist
aber, daß man innerhalb des Rahmens einer möglichen zukünftigen Mehr-
heitsbildung gegenseitig Rücksicht übt.
4.—8. Mai. (Reichstag.) Kriegszielinterpellationen. Haus-
halt der Reichseisenbahnen und der Heeresverwaltung.
Die auf der Tagesordnung stehenden beiden Interpellationen
über die Kriegsziele werden erledigt durch eine Erklärung des Staats-
sekretärs Dr. Helfferich, daß der Reichskanzler für die Beantwortung der
Interpellationen innerhalb der in der Geschäftsordnung festgesetzten Zeit
(14 Tage) an einem mit dem Präsidenten zu vereinbarenden Tage bereit sei.
Es folgt die zweite Lesung des Haushaltsplans der Reichseisen-
bahnen, wobei hauptsächlich soziale Fragen erörtert werden.
Zu dem Haushaltsplan für die Verwaltung des Reichsheeres
hat der Ausschuß eine große Anzahl von Entschließungen gefaßt. So
fordert er eine angemessene Erhöhung der Mannschaftslöhne, ein zweites
Putzgeld für Mannschaften und Unteroffiziere, die mindestens zwei Jahre
unter den Fahnen stehen. Aufgehoben werden soll die Bestimmung, wo-
nach nur Soldaten mit der Befähigung zum Einjährig-Freiwilligendienft
zu Offizieren befördert werden können. Die Beförderung der Sanitäts-
offiziere der Reserve und Landwehr wird empfohlen, ferner eine Ergänzung
des Offiziers-Pensionsgesetzes zugunsten der im Kriege verwendeten Alt-
pensionäre. Die Strafe des Anbindens soll beseitigt werden. Gefordert
wird eine Reform des militär. Beschwerderechts, möglichste Einschränkung
der Briefzenfur bei den einzelnen Truppenteilen, Heimatsurlaub für ver-
wundete oder kranke Soldaten, ehe sie wieder zur Front gehen. Die Lebens-
mittelpreise in den Kantinen sollen den Einkaufspreisen angepaßt werden.
Kantinenüberschüsse sollen gleichmäßig zur Verteilung kommen. Empfohlen
wird die Unterstützung der Soldaten-, Marine- und Eisenbahnerheime und
vorbereitende Maßnahmen für die Arbeitsvermittlung in der Zeit der De-
mobilisierung. Zur Frühjahrsbestellung sollen die notwendigen Beurlaubungen
und Zurückstellungen erfolgen. Auch bei den Pferdeaushebungen soll auf
die Bedürfnisse der Landwirtschaft Rücksicht genommen werden. Die land-
wirtschaftl. Maschinen der besetzten Gebiete sollen der heimischen Landwirt-
schaft zugeführt werden, ebenso die entbehrlichen Pferde und Zugtiere. Künst-
licher Dünger soll in den besetzten Gebieten nicht mehr verwendet werden.
Ferner verlangen die Soz., daß die von verschiedenen stellvertr. Ge-
neralkommandos erlassenen Verordnungen über Arbeitshilfe in der Land-
und Forstwirtschaft, die mit den Bestimmungen des Gesetzes über den
vaterländ. Hilfsdienst im Widerspruch stehen, aufgehoben werden. Ferner
beantragen sie, die Ausgaben für eine zweite Hauptkadettenanstalt zu streichen.
Die Soz. Arb. schlägt einen besonderen Ausschuß vor, der die Kriegsführung
und die Verwaltung der besetzten Gebiete zu überwachen hat. Ein Antrag
Dr. van Calker (Natl.) zugunsten der Soldatenheime will besonders die Er-
richtung geeigneter Unterkunftsräume mit billiger Verpflegung und Gelegen-
heit zum Uebernachten für durchreisende Soldaten in der Nähe der Bahn-