Beutsches Reich. (Mai 4.—8.) 489
Kommission ebenso deutlich und klar gesagt; man muß nicht nur an den
Worten kleben und deuteln, man muß sich an die Sache halten. Ich sage
hier vor der Oeffentlichkeit des ganzen deutschen Volkes: das deutsche
Volk war nach meiner innersten Ueberzeugung an einem verhängnis-
vollen Scheidewege angelangt. An diesem Scheidewege führte der
eine Weg zur Niederlage! Ich sage das klipp und klar, damit jeder deutsche
Arbeiter das weiß. Unser Heimatheer muß unverbrüchlich verbunden sein
mit unseren Feldgrauen da draußen, niemand darf dazwischenstehen und
nichts dazwischengeschoben werden. Ich verkenne nicht, daß die Gewerk-
schaften sich alle erdenkliche Mühe gegeben haben, auf die Arbeiter in ihrer
Weise einzuwirken. Daß sie eine andere Sprache reden, ist selbstverständ-
lich, aber sie müssen mir erlauben, daß ich in meiner Sprache rede. Ich
würde die Seele des deutschen Volkes nicht richtig einschätzen, wenn ich
von dem gesamten deutschen Volke in diesen Nöten nicht glaubte, daß es
die einmütige Ueberzeugung hat, daß von jetzt ab bis zum Ende des Krieges
eine absolute Ruhe herrschen muß unter unserer Arbeiterschaft. Das ganze
Volk muß zusammengehalten werden, alle müssen für einen und einer für
alle stehen. Mein Aufruf war keine Schimpferei, sondern nur ein deut-
licher und derber Ausdruck von dem, was ich in mir fühlte. (Leb. Beif. r.)
Preußischer Kriegsminister General v. Stein: Der Abg. Schöpflin hat
gemeint, ich hätte nur viele schöne Worte gemacht. Ich bitte ihn, ruhig
abzuwarten, bis die entsprechenden Handlungen geschehen.
Präsident Dr. Kaempf teilt mit, daß von den Soz. und von den
Elsässern Interpellationen eingegangen sind, welche die fortdauernden
Verstöße der militärischen Oberbefehlshaber in Elsaß-Lothringen gegen die
Beschlüsse des Reichstags betr. die Aufhebung der Schutzhaft usw., sowie
die Nichtverabschiedung des Etats der Reichslande für 1917 infolge an-
geblichen Verbots des Zusammentritts des Landtages durch die militärischen
Kommandobehörden betreffen.
Am 5. Mai erklärt zunächst Staatssekretär Dr. Helfferich, der Reichs-
kanzler sei bereit, die beiden Interpellationen innerhalb der nächsten
zwei Wochen an einem mit dem Präsidenten zu vereinbarenden Tage zu
beantworten.
In dritter Beratung wird der Gesetzentwurf betr. Gebühren für
den Kaiser-Wilhelm-Kanal ohne Erörterung endgültig genehmigt.
Zum Heeresetat erhält sodann das Wort Abg. Dr. Haas (Fortschr.
Vp.): Ueber die Behandlung unserer Soldaten an der Front wird noch
immer geklagt. Es werde in der Ruhestellung zuviel exerziert, zuviel Ga-
maschendienst getrieben. Daß die Strafe des Anbindens endlich ver-
schwinden muß, danken wir dem Kriegsminister. Ich habe allerdings nicht
ganz verstanden, ob er gesagt hat, die Strafe werde abgeschafft werden,
oder er wolle sich nur darum bemühen. Alle Gründe für diese Strafe sind
nicht stichhaltig. Gegen disziplinlose Elemente muß man gewiß scharf vor-
gehen. Es gibt nicht nur schlechte Soldaten, sondern auch nervöse, unüber-
legte Vorgesetzte, die von einer solchen Strafe einen ungeeigneten Gebrauch
machen. Bei einem guten Kompanieführer geht es überhaupt ohne strenge
Strafen. Daß das Beschwerderecht geändert werden muß, ist außer
Zweifel. Das beste wäre doch, daß der Mann zu seinem Kompanieführer
kommt und ihm sagt, was er auf dem Herzen hat. Es ist nicht nötig, das
Beschwerderecht mit so vielen Fallstricken zu versehen. Das Mißliche des
Beschwerderechts ist, daß es keinen Strafaufschub gestattet. Wenn es besser
werden soll, muß diese Bestimmung gestrichen werden. Der Resolution wegen
Einschränkung der Briefzenfur für die Soldaten stimmen wir zu; ich warne
aber davor, die Briefzensur den höheren Stäben zu überlassen, wie Herr