Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

188 Die Sfterreichisch-angrische Menarchir. (Oktober 11.) 
Untersuchung hat ergeben, daß die Truppen der 19. Juf.-Div., so besonders 
das bosn. herzegowinische Inf.-Reg. Nr. 1, das Feldjägerbataillon Nr. 5 und 
die Artillerie bei Zborow völlig einwandfrei gekämpft und mit blankem 
Ehrenschild aus der Schlacht hervorgegangen sind; nur die kleineren Ab- 
teilungen zweier Infanterieregimenter ließen es an der von ihnen erwarteten 
Widerstandskraft fehlen. Die 19. Inf.-Div. befindet sich nach wie vor in der 
Front. Hinsichtlich der im Zusammenhange mit den Kämpfen bei Zborow 
mehrfach erörterten Teilnahme der sogenannten „tschechisch-slowak. Brigade“ 
an diesen Kämpfen auf russischer Seite gestatte ich mir, bei diesem Anlasse 
beizufügen, daß ein solcher Verband — wie auch in einem russischen Heeres- 
bericht ausdrücklich erwähnt — tatsächlich besteht und das erste Mal im 
Frühjahr 1916 zuverlässig festgestellt wurde. Bedauerlicherweise ist dieser 
Verband zum beträchtlichen Teil aus Kriegsgefangenen unserer Wehrmacht 
gebildet. Die russische Heeresleitung nimmt eben, im schroffen Gegensatze 
zu den bei uns geltenden Gepflogenheiten, keinen Anstand daran, unsere 
Kriegsgefangenen mit allen erdenklichen Mitteln zum Treubruche zu ver- 
leiten, schwache und durch gewissenlose Agitatoren verhetzte Elemente fanden 
sich zum Verrat an der beschworenen Eidespflicht, zum Verrat an Kaiser, 
König und Vaterland bereit. 
11. Okt. (Osterr. Abgeordnetenhaus.) Polit. Zensur. Auf- 
hebung der Verfassung in Bosnien und Herzegowina. 
Das Abgeordnetenhaus nimmt die Anträge des Presseausschusses. 
betr. Aufhebung der polit. Zensur nach kurzer Debatte, worin sämtliche 
Redner für die Wiedereinführung der vollständigen Preßfreiheit eintreten, an. 
Im Laufe der Debatte hebt der Minister des Innern Graf Toggen- 
burg die außerordentlichen Dienste hervor, welche die loyale Presse Oester- 
reichs in diesen schweren Zeiten dem Staate geleistet hat. Die Regierung 
möchte je eher je lieber auf die Zensur verzichten, doch könne mit Rücksicht 
auf die Feinde, die mit größter Aufmerksamkeit unser öffentliches Leben 
verfolgen, wohl noch schwer derzeit auf die Kriegszensur ganz verzichtet 
werden, die übrigens auch in den anderen Staaten bestehe. Die Klagen 
über die Handhabung der Zensur seien vielfach berechtigt. Um diesen Klagen 
Rechnung zu tragen und Ordnung in die Zensurverhältnisse zu bringen, 
beabsichtige die Regierung eine Neuregelung der Zensur dahingehend, daß 
nur das, was mit den Interessen der Kriegführung in mittelbarem oder 
unmittelbarem Zusammenhang steht, der Zensur durch politische oder Polizei- 
behörden unterliegen soll, gegen deren Erkenntnis der Rechtszug offensteht. 
Fragen rein politischer Natur oder solche, die die Kriegführung überhaupt 
nicht berühren, sollen der Zensur nicht unterliegen. 
In schriftlicher Beantwortung der Anfrage des Südflawen Korosec 
und Gen., betreffend die verfassungslosen Zustände in Bosnien und der 
Herzegowina, erklärt der Ministerpräsident, die Wünsche der Inter- 
pellanten nach Wiederherstellung des verfassungsmäßigen Lebens dort deckten 
sich mit den Bestrebungen des gemeinsamen Finanzministers. Da jedoch 
Bosnien und die Herzegowina größtenteils Kriegsgebiete seien, die Mehrzahl 
der Wähler an der Front stehe und die schwach besetzten Verwaltungs- 
behörden bei dem Kriegszustande mit vermehrten Aufgaben überbürdet seien, 
könne nicht ohne weiteres mit Neuwahlen vorgegangen werden. 
11. Okt. Krisis im Deutschen Nationalverband. 
Die Deutsch-radikale Vereinigung beschließt aus dem Deutschen 
Nationalverbande auszutreten, da ihre radikalen Forderungen, wie Austritt 
der dem D. N. angehörenden Abg. aus den parlam. Ausschüssen als Protest
	        
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