Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

IELILEIIIITIITIII 15.) 189 
gegen die tschechenfreundl. Haltung der Regierung, von den anderen Parteien, 
die für eine gemäßigte Politik eintreten, nicht gebilligt wurden. Gegensätz- 
lich ist auch die Haltung der Deutschradikalen zur Frage der Ersatzwahlen 
für die amnestierten tschech. Abg. Gleichzeitig tritt der Oomann des D. N. 
Abg. Dobernig zurück. Um jedoch den deutschnationalen Abg. ein ge- 
meinsames Vorgehen in nationalen Fragen zu ermöglichen, wird die Schaffung 
eines Vollzugsausschusses der deutschnationalen Parteien beschlossen. 
Die „Deutschen Nachrichten“ bringen darüber am 12. folgende parteiamt- 
liche Verlautbarung: Heute nachmittag fand eine freie Aussprache einer 
Anzahl Abg. aller visher dem Deutsch-nationalen Verbande angehörenden 
Gruppen über die durch den Austritt der Deutsch-radikalen Partei und 
durch den Rücktritt des Obmannes, Abg. Dobernig, geschaffenen Lage statt. 
Man beschloß einen Ausschuß einzusetzen, der unverzüglich über die Bildung 
einer taktischen Zusammenfassung der deutschnationalen Abgeordneten zu 
beraten und den Parteien bezw. Gruppen Vorschläge zu erstatten 
haben wird. Es kam erfreulicherweise die Ueberzeugung zum Ausdruck, daß 
auch in Zukunft ein geschlossenes Auftreten der deutschnationalen Abgeord- 
neten in allen wichtigen Fragen Platz greifen müßte. Der Ausschuß tritt 
morgen zu seinen Beratungen zusammen. (S. auch 25. Okt.) 
132. Okt. Die Vollversammlung des Polenklubs billigt mit 
29 gegen 7 Stimmen die von der Parteivertretung mit der Re- 
gierung (s. S. 181) getroffenen Vereinbarungen. 
Der Polenklub gibt über das Verhandlungsergebnis folgende 
Mitteilung aus: 1. Bezüglich der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen 
Verhältnisse in Galizien wurde die Besetzung der erledigten Stellen bei den 
Zentralbehörden durch poln. Beamte nach Maßgabe der vorhandenen Kan- 
didaten versprochen. Die politische Zensur soll neu geregelt und die Be- 
sprechung des österr.-poln. Verhältnisses soll freigegeben werden. Die Not- 
wendigkeit der Ernennung des Zivilstatthalters wird im Prinzip anerkannt; 
die Rayonskommandanten in Westgalizien werden aufgelassen; poln. und 
ruth. Beamte unter Rückberufung der zugewiesenen fremden Beamten nach 
Möglichkeit wieder eingesetzt. 2. Der Wiederherstellung der Autonomie der 
Städte und Landgemeinden steht die Regierung wohlwollend gegenüber. 
3. Die Regierung wird Sorge tragen, daß in die Kriegswirtschaftszentralen, 
in welchen Galizien nicht genügend vertreten ist, Vertreter aus diesem Land 
entsandt werden; 4. Bezüglich des Wiederaufbaues wird die Regierung sich 
bemühen, die Schwierigkeiten zu beseitigen und die Arbeiten zu beschleunigen; 
auch eine entsprechende Versorgung des Landes mit Rohmaterialien wird 
verfügt werden. Requisitionen sollen auf ein unabweisbares Maß reduziert 
werden. Auch Galizien soll entsprechend mit Heereslieferungen bedacht 
werden. 5. Bezüglich der Durchführung des Kriegsleistungsgesetzes hat die 
Regierung strikte Verfügungen getroffen, daß die Vergütungen ungesäumt 
ausbezahlt werden. 6. In bezug auf die Kriegsschäden erkennt die Regierung 
die Pflicht des Staates zur Vergütung der durch den Krieg verursachten 
Schäden an und wird bei den Verhandlungen mit Ungarn für die Schaffung 
einer diesbezüglichen Grundlage eintreten. In Sachen der Poln. Legion 
erklärt die Regierung, sich für diese Frage eifrig interessieren zu wollen, 
um dafür Sorge zu tragen, daß die Legion als Kader für die zu bildende 
poknische Armee erhalten bleibe. 
15. Okt. (Prag.) Rückkehr des Dr. Kramarsch. 
Die „Narodni Listy“ veröffentlicht an leitender Stelle einen Be- 
grüßungsaufsatz, worin gesagt wird, jedermann, und die Tschechen am
	        
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