224 Bie Aerreichisch-ungarische Msonerchie. (Dezember 15.—19.)
15. Dez. Abschluß eines 28tägigen Waffenstillstandes mit Ruß-
land in Brest-Litowsk.
Näheres s. in dem besonderen Abschnitt am Schluß des Kalendariums.
15. Dez. (Oesterr. Herrenhaus.) Das Gesetz betr. die Er-
richtung eines Ministeriums für soziale Fürsorge (s. S. 205) und
die Vorlagen betr. das Ausgleichsprovisorium (s. S. 205) werden
in zweiter und dritter Lesung unverändert angenommen.
15. Dez. Schluß der Zeichnung auf die 7. österr. Kriegsanleihe.
Das Ergebnis beträgt 6041182 800 Kr.
16. Dez. Eintritt des Kriegszustandes zwischen Kuba und
Oesterreich-Ungarn. (Näheres s. Mittel- und Südamerika.)
18.—19.Dez. (Oesterr. Abg.-Haus.) Anfragen betr. Friedens-
verhandlungen.
Bezüglich der dringlichen Anfragen der Abg. Stanek, (Tschech.) Dr.
Korosec (Südflaw.) und Gen., betr. das Verlangen nach Wahl von Volks-
vertretern, die an den Friedensverhandl ungen mit Rußland teilzunehmen
hätten, und Mitteilungen über eventuelle Abmachungen bezüglich des Handel-
verkehres mit Rußland: des Abg. Dr. Petruszewycz (Ruth.) und Gen.,
leichjalls betr. die Wahl von Volksvertretern zur Teilnahme an den
Friedensverhandlungen und des Abg. Dr. Adler (Disch. Soz.) und Gen.,
betr. die Durchführung des Grundsatzes „ohne Annexionen und ohne Kon-
tributionen“ bei den Friedensverhandlungen und betr. die Inanspruchnahme
der Vermittlung der russischen Regierung für die Uebermittlung des Vor-
schlages für einen allgemeinen Frieden an die feindlichen Staaten wird
mit 140 gegen 132 Summen die Eröffnung der Debatte beschlossen.
In Begründung seiner Anfrage legt Abg. Stanek den Standpunkt
der Tschechen hinsichtlich des Selbstbestimmungsrechtes der österr. Bölker
dar und verlangt, daß Friedensverhandlungen von Volk zu Volk geführt
werden. — Abg. Petruszewycz begründet den ruth. Standpunkt, wobei
er gegen die Angliederung des ukrainischen Bodens an Polen schärfstens
protestiert. — Abg. Dr. Adler erklärt, die soz. Anfrage sei vom heißesten
Wunsche nach einem allgemeinen Frieden diktiert. Er beglückwünsche die
russischen Revolutionäre, daß es ihnen gelungen sei, den Weg zum Frieden
zu bahnen. Viel dazu habe Graf Czernin beigetragen, dessen Verdienst
es sei, das Eingehen in die Verhandlungen ermöglicht zu haben. Er wünsche,
daß die russischen Friedensunterhändler die Ueberbringer der Botschaft der
Mittelmächte an die Ententestaaten werden, in der festgestellt werde, daß
die verbündeten Mittelmächte nichts anderes wollten, als was Graf Czernin
in seinem Exposé bezüglich des Friedens ohne erzwungene Gebietserweite-
rungen, ohne wirtschaftliche Vergewaltigungen und bezüglich der Abrüstung
dargelegt habe. Eine solche Botschaft würde den Erfolg haben, daß die
täglich stärker werdenden Friedensbestrebungen in den Ententestaaten unüber-
windlich würden. — Abg. Waldner protestiert namens der Deutschen
entschiedenst gegen die Teilnahme nationaler Vertreter an den Friedens-
verhandlungen, namentlich der Tschechen und Südslawen und fordert Ein-
* und Solidarität im Vorgehen der Monarchie und Deutschlands in den
riedensverhandlungen. Der Friede müsse füreinander und miteinander
geschlossen werden. Hierin seien auch die Türkei und Bulgarien inbegriffen.
Am 19. gibt Ministerpräsident Dr. Ritter von Seidler im Ein-