Erof#britannien. (November 16. 19.) 357
Obersten Kriegerat und der engl. Heeresleitung. England dürfe, so wird
gesagt, unter keinen Umständen seine militärische Selbständigkeit aufgeben.
Die zweite Einwendung betraf die Frage, warum Lloyd George die Rede
nicht im Unterhause hielt, und ob sie die Auffassung des ganzen Kabinetts
vertrat. Drittens hat man große Bedenken gegen die von Lloyd George
an der bisherigen Tätigkeit der Alliierten und an dem vorigen engl. Kabinett
geübte Kritik.
16. Nov. Wechsel in der Leitung des Luftamts.
Der Vorsitzende des Luftamts Viscount Cowdray tritt zurück. Den
Anlaß dazu gibt ein Brief Lord Northeliffes an Lloyd George, der,
wie Cowdray sagt, für ihn die erste Andeutung dafür sei, daß Lloyd George
einen Wechsel im Luftamte vorzunehmen beabsichtige. Sein Nachfolger wird
der Bruder Lord N.s, Lord Rothermere, Besitzer des „Daily Mirror".
In dem (am 15.) veröffentlichten Briefe setzt Lord Northeliffe aus-
einander, warum er die Aufforderung, die Leitung der engl. Luftfahrts-
angelegenheiten zu übernehmen, glaubt ablehnen zu müssen. Er verweist
auf die Eindrücke, die er als Führer der engl. Mission in Amerika ge-
wonnen hat, und stellt sie den Zuständen in England gegenüber. In Amerika
würden die öffentlichen Angelegenheiten viel fester und durchgreifender an-
gepackt und geregelt. Da habe man nicht nur mit der Dienstpflicht be-
gonnen, sondern mache auch kurzen Prozeß mit den Unruhestiftern. Leute
mit sogenannten Gewissensbedenken befreie man da nicht vom Heeresdienst
wie in England, und allen feindlichen Ausländern, die in den letzten fünf-
zehn Jahren naturalisiert worden seien, nehme man wieder das Bürger-
recht. In England dagegen finde er Trägheit, zögerndes Schwanken, Miß-
nauen der Zensur und unzweckmäßiges Vorgehen gegen die Deutschen.
Gewiß sei der Geist der engl. Männer und Frauen so gut wie je. Er be-
wundere auch die Leistungen des unter einem der größten Feldherren
stehenden engl. Heeres und die der Flotte. Aber es fehle an Kraft in der
Kriegführung und bei den Maßregeln zur Bekämpfung von Erschlaffungs-
erscheinungen, die scharf abstächen gegen die Begeisterung in den Ver.
Staaten und in Kanada. Unter diesen Umständen könne er, Lord North-
tliffe, sich nützlicher betätigen, wenn er unabhängig bleibe und ihm nicht
der Mund gebunden sei durch eine Loyalität, die er für die Art, wie Eng-
land gegenwärtig regiert werde, nicht empfinde. Der Brief schließt mit
solgenden (von „Reuter“ unterdrückten) Sätzen, die für das Verhältnis
Amerikas zu England von besonderer Bedeutung sind: Darf ich bei dieser
Gelegenheit meine warnende Stimme erheben über unsere Beziehungen zu
dem großen Volke, von dem ich soeben zurückgekehrt bin? Wir haben das
Trauerspiel von Rußland gehabt, teilweise als Folge des Versagens unserer
Propaganda gegen die Deutschen. Wir sehen das Trauerspiel von Italien,
zum größten Teil eine Folge derselben feindlichen Propaganda. Wir hatten
die Trauerspiele von Serbien, Rumänien und Montenegro, hoffentlich er-
leben wir nicht noch ein anderes Trauerspiel, und zwar in den Ver.
Staaten. Aber aus zahlreichen Besprechungen mit leitenden Männern weiß
ich, daß, wenn nicht bald Verbesserungen in unserer Kriegsmethode ein-
treten, Amerika die Führung eines größeren Teils des Krieges einfach in
cigene Hand nehmen wird. Es ist nicht gesonnen, Opfer an Gut und
Blut zu bringen für eine ungeschickte Behandlung der Dinge in Europa.
19. Nov. (Unterhaus.) Lloyd Georges Pariser Rede.
Vor überfülltem Hause wird die Erörterung über den neuen Rat
der Alliierten und über die Rede Lloyd Georges in Paris (s. Frankr.,
12. Nov.) von dem Führer der lib. Opposition Asquith (s. S. 355) mit