Nie äs#erreichisch-ungarische Monargie. (Mai 24.) 79
In einer Versammlung der Nationalen Arbeitspartei am 24.
führt Graf Tisza aus: Die Nationalitäten Ungarns hätten sich im Welt-
krieg staatstreu erwiesen; ehrvergessenes Verhalten einiger Geistlichen und
Lehrer beweise aber die Notwendigkeit, die staatliche Aufsicht bei der Pfarrer=
und Lehrerbildung der Nationalitäten nachdrücklichst zur Geltung zu bringen.
Was die Wahlreform betreffe, so wäre die Regierung bereit gewesen, die
Altersgrenze für die Industriearbeiter unter 30 Jahre herabzusetzen; allein
eine weitergehende Reform würde der konfessionellen, nationalistischen und
staatsrechtlichen Demagogie Tür und Tor öffnen. Ein Wahlrechtsradikalis-
mus ohne entsprechende Kultur und Wirtschaftspolitik wäre die äußerste
Gefahr für das Land und die Dynastie. Da die so umrissene Wahlrechts-
reform der Regierung vom König nicht gebilligt worden sei, habe die Re-
gierung abgedankt. Graf Tisza fordert die Partei auf, in die Opposition
zu gehen, um als treue Diener des Königs und des Vaterlandes das radi-
kale Wahlrecht zu verhindern. Es handle sich um Sein oder Nichtsein von
Thron und Vaterland. Dessen könne die neue Regierung sicher sein, daß
sie die Mittel zur Fortführung des Krieges bis zum siegreichen Ende auch
von der Opposition bewilligt bekomme. Ohne Debatte wird einstimmig be-
schlossen, die Politik Tiszas zu billigen und ihm Gefolgschaft zu leisten.
24. Mai. (Osterr. Abgeordnetenhaus.) Seniorenkonvent.
Der Vorsitzende Präsident Dr. Sylvester gibt zunächst einen Bericht
über die Besprechungen, die Anfang Mai zwischen den großen
Parteien stattgefunden hatten. Den Gegenstand dieser Besprechungen
bhabe insbesondere die Revision der Geschäftsordnung, die Neuwahl des
Präsidiums, die Wahl der Ausschüsse und eine Anzahl anderer für den
Wiederbeginn der parlamentarischen Tätigkeit wesentlichen Fragen gebildet.
Als Ergebnis jener Beratungen sei ein achtgliedriges Komitee aus den
großen Parteien eingesetzt worden, das sich mit der Revision der Geschäfts-
ordnung zu befassen hatte. Dieses Komitee habe sich größtenteils bereits
über die maßgebenden Punkte geeinigt. Weiter habe man sich dahin ge-
einigt, fünf Ausschüsse, und zwar einen Finanzausschuß, einen Kriegswirt-
schaftsausschuß, einen politischen, einen Immunitäts= und einen Geschäfts-
ordnungsausschuß einzusetzen, die ersteren drei mit je 52, die letzteren zwei
mit 26 Mitgliedern. Ueber die Neuwahl des Präsidiums haben Be-
sprechungen zwischen den Parteien stattgefunden.
Ministerpräsident Clam-Martinie spricht die Hoffnung aus, daß die
Tagung des Abgeordnetenhauses einen Verlauf nehmen werde, der das
Ansehen der Monarchie im Auslande noch erhöhen werde. Die Regierung
werde dem Hause gleich beim Zusammentritt eine Reihe von Vorlagen
unterbreiten und zwar u. a. ein Vereinsgesetz, eine Lehrerdienstordnung,
ein Gesetz über Fürsorgeerziehung und Jugendstrafrecht, eine Regierungs-
vorlage betr. Aenderung der Gewerbeordnung hinsichtlich der Nachtarbeit
der Frauen, Jugendlichen und Kinder und der Heimarbeit, ferner das vor-
läufige Budget bis Ende 1917, eine Vorlage über die Kriegsgewinnsteuer,
eine Münzprägevorlage und die auf Grund des § 14 erlassenen Verord-
nungen. Die Sozialversicherungsvorlage und die anderen sozialpolitischen
Vorlagen seien noch nicht fertiggestellt, würden aber dem Hause bald zu-
gehen. Der Ministerpräsident erörtert sodann auch die Frage der Geschäfts-
ordnung und der Zenfur der Reden und erkennt das Recht des Hauses,
selbständig zu entscheiden, was es für notwendig erachte, an. Abg. Fink
regt an, in der ersten Sitzung einen 26gliedrigen Ausschuß zur Beschluß-
fassung über die neue Geschäftsordnung einzusetzen. Bis zur Erledi-
gung der Arbeiten dieses Ausschusses solle das Haus keine Arbeitssitzung
abhalten. Dieser Antrag findet die Zustimmung.