86 Vie ãsterreithisq · nngarisqe Nenarthie. (Mai 31.)
Wirkens und Ich meine, das Wohl des Staates, dessen glorreicher Bestand
durch das feste Zusammenstehn der Bürger in den Stürmen des Welt-
krieges bewahrt wurde, kann auch für die Zeiten des Friedens nicht sicherer
bewahrt werden als in der unantastbaren Gerechtsame einesreifen,
vaterlandsliebenden und freien Volkes. Eingedenk Meiner Ob-
liegenheit zur Ablegung des Verfassungsgelöbnisses und festhaltend an der
gleich nach Meinem Regierungsantritte verkündeten Absicht, dieser Ob-
iegenheit getreulich nachzukommen, muß Ich Mir zugleich die Bestimmung
des Staatsgrundgesetzes gegenwärtig halten, die die Entscheidungen im
großen Augenblicke des Friedensschlusses allein in Meine Hände legt. Ich
bin aber auch überzeugt, daß das segensvolle Aufblühen des Verfassungs-
lebens nach der Unfruchtbarkeit früherer Jahre und nach den politischen
Ausnahmsverhältnissen des Krieges, abgesehen von der Lösung jener
galizischen Frage, für welche Mein erhabener Vorgänger bereits einen
Weg gewiesen hat, nicht möglich ist ohne eine Ausgestaltung der ver-
fassungs- und verwaltungsrechtlichen Grundlagen des gesamten
öffentlichen Lebens, sowohl im Staate, als in den einzelnen Königreichen
und Ländern, insbesondere ein Böhmen. Und Ich vertraue darauf, daß
die Erkenntnis Ihrer ernsten Verantwortung für die Gestaltung der poli-
tischen Verhältnisse, der Glaube an die glückliche Zukunft des in diesem
furchtbaren Kriege so herrlich erstarkten Reiches Ihnen, Meine geehrten
Herren, die Kraft verleihen wird, vereint mit Mir in Bälde die Vor-
bedingungen zu schaffen, um im Rahmen der Einheit des Staates und
unter verläßlicher Sicherung seiner Funktionen auch der freien nationalen.
und kulturellen Entwicklung gleichberechtigter Völker Raum zu geben. Aus
diesen Erwägungen habe Ich Mich entschlossen, die Ablegung des Ver-
fassungsgelöbnisses dem hoffentlich nicht fernen Zeitpunkte vorzu-
behalten, wo die Fundamente des neuen, starken, glücklichen Oesterreich für
Generationen wiederum fest ausgebaut sein werden nach innen und außen.
Schon heute aber erkläre Ich, daß Ich Meinen teuren Völkern immerdar
ein gerechter, liebevoller und gewissenhafter Herrscher sein
will im Sinne der konstitutionellen Idee, die wir als ein Erbe der Bäter
übernommen haben, und im Geiste jener wahren Demokratie, die
gerade während der Stürme des Weltkrieges in den Leistungen des ge-
samten Volkes an der Front und daheim die Feuerprobe wunderbar be-
standen hat!
Noch stehen wir in dem gewaltigsten Kriege aller Zeiten. Lassen Sie
Mich aus Ihrer Mitte all den Helden, die seit fast drei Jahren an
unseren weitgespannten Fronten freudig ihre schwere Pflicht erfüllen, an
deren eiserner Standhaftigkeit eben jetzt zwischen den Alpen und der Adria
der erneute wütende Angriff des Feindes zerschellt, dankbaren Herzens
Meinen kaiserlichen Gruß entbieten! Unsere Mächtegruppe hat die
blutige Kraftprobe dieses Weltkrieges nicht gesucht, ja mehr
als das, sie hat von dem Augenblicke an, wo“ dank der unvergänglichen
Leistungen der verbündeten Herre und Fiotten Ehre und Bestand unserer
Staaten nicht mehr ernstlich bedroht erschien, offen und in unzweideutiger
Art ihre Friedensbereitschaft zu erkennen gegeben, von der festen
Ueberzeugung geleitet, daß die richtige Friedensformel nur in der
wechselseitigen Anerkennung einer ruhmvoll verteidigten
Machtstellung zu finden ist. Das fernere Leben der Völler sollte nach
unserer Meinung freibleiben von Groll und Rachedurst und auf Gene-
rationen hinaus der Anwendung dessen nicht bedürfen, was man das letzte
Mittel der Staaten nennt. Zu diesem hohen Menschheitsziele vermag aber
nur ein solcher Abschluß des Weltkrieges zu führen, wie er jener Friedens-