Vie ãsterreitisq ·angarise Menartzie. (Juni 12.—16.) 95
des Reichsrates bei der bisherigen sprachlichen Uebung bleiben solle, wird
mit 70 gegen 61 Stimmen abgelehnt.
Dagegen nimmt das Haus mit 118 gegen 38 Stimmen folgende von dem
ehem. Justizminister Dr. Klein beantragte Entschließung an: Wiewohl das
Herrenhaus keinen unmittelbaren Einfluß auf die Regelung der Geschäfts-
ordnung im Abgeordnetenhause nimmt und jede Gelegenheit vermeidet, sich
in die inneren Angelegenheiten des Abgeordnetenhauses einzumischen, kann
es doch nicht umhin, seine schweren Bedenken gegen die getroffene Abände-
rung in der Frage des Geschäftsverkehrs des Abgeordnetenhauses auszudrücken,
weil diese Angelegenheit nicht mehr eine innere Angelegenheit des Abge-
ordnetenhauses ist, sondern in ihrer Konsequenz auch die übrigen parlamen-
tarischen Einrichtungen trifft und dann auch auf das öffentliche Leben über-
greifen muß. Das Herrenhaus bringt daher die Ueberzeugung zum Ausdruck,
daß die Geschäftssprache in beiden Häusern durch Aufrechterhaltung der
deutschen Sprache geregelt wird, und fordert die Regierung auf, eine ent-
siprechende Geschäftsvorlage in beiden Häusern des Reichsrates vorzulegen,
damit diese Frage endgültig geregelt wird.
Schließlich nimmt das Haus mit 69 gegen 60 Stimmen eine von
dem gewesenen Obmann des Polenklubs Bilinski beantragte Entschließung
an, die die Regierung auffordert, die praktische Lösung der Frage der Ver-
handlungssprache im Parlamente durch Verhandlungen mit allen nationalen
Parteien anzubahnen und auf Grund der zu erhoffenden freiwilligen Ver-
einbarungen beiden Häusern entsprechende Anträge zu unterbreiten.
In der Debatte erklärt der frühere Handelsminister Fort (Tscheche),
der Antrag Franta (s. S. 93) verwirkliche nur den Gedanken der Gerech-
tigkeit den nichtdeutschen Völkern gegenüber. Dagegen betont Fürst Auers-
perg, die deutsche Verhandlungssprache sei im Interesse der Arbeitsfähigkceit
des Abgeordnetenhauses unbedingt notwendig. Es handle sich keineswegs
um ein nationales deutsches Interesse.
Das Gesetz über die Geschäftsordnung des Reichsrates erhält sofort
die Unterschrift des Kaisers. Am 12. wird es in der amtl. „Wiener Ztg.“
veröffentlicht, so daß die Sitzung des Abgeordnetenhauses des gleichen Tages
bereits unter der neuen Geschäftsordnung stattfindet.
12.—16. Juni. (Osterr. Abgeordnetenhaus.) Erste Lesung
des Budgetprovisoriums.
Die dem Hause zugegangene Regierungsvorlage betr. das Budget-
provisorium für das zweite Halbjahr 1917 ermächtigt die Regierung,
die Steuern, Abgaben und Gefälle nach den bestehenden Vestimmungen zu
erheben und Staatsausgaben während dieser Zeit auf Rechnung des ge-
setzlich festzustellenden Staatsvoranschlages für das Verwaltungsjahr 1917/18
zu bestreiten. In betreff der gemeinsamen Angelegenheiten wird bei Ein-
haltung der Gegenseitigkeit angeordnet, daß Oesterreich zu allen gemein-
samen Ausgaben dann im Quotenverhältnis beizutragen habe, falls auch
der andere Staat quotenmäßig Beiträge leistet. Der Finanzminister wird
serner ermächtigt, ohne vorausgehende besondere Zustimmung des Reichs-
rates, aber gegen nachträgliche Rechtfertigung, unbewegliches Staatseigentum
bis zum Gesamtwerte von 900000 Kr. zu veräußern, falls der Schätzwert
des einzelnen Objektes 50 000 Kr. nicht übersteigt, unbewegliches Staats-
eigentum mit Dienstbarkeiten bis zum Gesamtwerte von 200000 Kr. zu
belasten, wenn der Wert des einzuräumenden Rechtes im einzelnen Falle
50000 Kr. nicht übersteigt, den im Nutzgenusse von Staatseisenbahnen
stehenden Gesellschaften den Verkauf entbehrlicher Staatseisenbahngrundstücke
gegen angemessene Entschädigung des Staatsschatzes für das Aufgeben des.