500 Velen. (Febr. 1.—11.)
durch keinerlei rechtspolitisches Band mit Rußland mehr verknüpft, und
dies von dem Augenblick an, wo das hundertjährige, auf Eroberung und
Niedertreten der Völkerrechte gestützt russ. Regime aufgehört hat. Selbst
vom russ. Standpunkt hat diese Verbindung aufgehört, als die Monarchie
in Rußland gestürzt wurde und die republ. russ. Regierung das Selbst-
bestimmungsrecht aller Völker im allgemeinen und Polens im besonderen
anerkannt hat. Besondere Abstimmungen über diese Fragen wären nichts
anderes als leere Formalitäten und sogar eine Beleidigung des in dieser
Hinsicht ganz unzweifelhaften Willens der poln. Nation. Ferner erklärt die
poln. Regierung, sie sei mit Freuden bereit, mit den Ländern Litauens
die Union auf Grund des beiderseitigen Einverständnisses und vollkommener
Gleichberechtigung zu erneuern. Die poln. Regierung ist für das Selbst-
bestimmungsrecht der Völker dieses Gebietes, besonders auch für den Fall,
wenn aus diesem staatliche Einheiten mit überwiegendem Charakter einer
der dort lebenden Nationalitäten gebildet werden sollten. Die durch ihre
nationale und kulturelle Eigenart nach Polen hin gravitierende Bevölkerung
soll die Möglichkeit erhalten, sich über ihre eventuelle Zugehörigkeit zu Polen
frei aussprechen zu können. Der poln: Staat muß in nächster Zeit die
Möglichkeit erhalten, eine Verfassung auf denjenigen Grundlagen auf-
zubauen, die dem Volkswillen entsprechen. Dazu gehört ein auf demo-
kratischer Basis in voller Freiheit gewählter Landtag sowie eine nationale
Armee und der Uebergang der Verwaltung in polnische Hände. Die poln.
Flüchtlinge und Kriegsgefangenen sollen baldmöglichst in die Heimat zurück-
kehren dürfen. Sofort nach Friedensschluß soll die Liquidierung der Kriegs-
zustände herbeigeführt werden. Mit den Zentralmächten die zur Entstehung
des poln. Staates mitgeholfen haben, will der neue Staat auf den beider-
seitigen Interessen beruhende gutnachbarliche Beziehungen unterhalten. Er
gibt auch der Hoffnung Ausdruck, daß in der Zukunft gute Friedensverhält-
nisse zwischen den freien Völkern Polens, Rußlands und der Ukraine ein-
treten werden.
1. Febr. Kriegszustand mit Großrußland. (S. S. 414.)
Am 8. wird gemeldet, daß die poln. Legionäre die Vereinigung des
Gouvernements Mohilew mit Polen verkündet haben.
6. Febr. Erlaß des Ges. betr. den poln. Staatsrat.
Die an diesem Tage zum ersten Male erscheinende „Poln. Staats-
zeitung“, genannt „Monitor Polski“, veröffentlicht das v. 5. datierte Gesetz
betr. den Staatsrat des Königreichs Polen und die Wahlordnung dafür.
Die poln. Regierung erläßt aus diesem Anlaß einen Aufruf, worin als
Hauptaufgabe des Staatsrates die Erörterung des von der Regierung be-
arbeiteten Gesetzentwurfes betr. Berufung, Zusammensetzung und Verfassung
des auf demokratische Grundlage gestützten ersten poln. Landtages bezeichnet
wird. Der Staatsrat, der mit dem Augenblick des Zusammentritts des
Landtages zu bestehen aufhören wird, soll aus 110 Mitgliedern (12 Viril-
mitgliedern (9 oberste kirchliche Würdenträger und 3 Hochschulrektoren!], 55
gewählten und 43 vom Regentschaftsrat auf Antrag des Ministerpräsidenten
ernannten Mitgliedern) bestehen. (Den Aufruf und die wichtigsten Art. des
Ges. s. in der „Nordd. Allg. Ztg." 1918 Nr. 75.) Durch Regierungserlaß
werden die Wahlen auf den 27. Febr. angesetzt, infolge der innerpolitischen
Krise werden sie jedoch auf den 9. April verschoben.
11. Febr. Rücktritt des Kabinetts Kucharzewski.
Den Anlaß bildet der Friedensvertrag der Mittelmächte mit der Ukraine,
der nach poln. Auffassung durch die Zuteilung des (bis 1913 zu Polen ge-