30 Einleitung. H
Zur erstinstanzlichen Behandlung und Entscheidung derjenigen Rechtsan-
gelegenheiten des Landesherrn oder der Mitglieder der landesherrlichen Familie,
welche nach Bestimmung der Gesetze an sich der sachlichen Zuständigkeit eines
Amtsrichters unterfallen würden, hat das Präsidium des Landgerichts vor Be-
ginn des Geschäftsjahres aus den Mitgliedern des Landgerichts einen Kommissar,
sowie für den Fall der Verhinderung den regelmässigen Vertreter desselben zu
bestellen.
Der Kommissar leitet und entscheidet die bezeichneten Rechtsangelegen-
heiten mit den Befugnissen und Verpflichtungen eines Amtsrichters.
Die zweite Instanz wird diesfalls je nach Beschaffenheit der Sache durch
die betreffende Kammer des Landgerichts gebildet. An den Beschlüssen und
Erkenntnissen dieser Kammer darf das kommittirte Mitglied nicht theilnehmen.
B. Das Gesammthaus Sachsen-Gotha!).
Stifter dieser Linie war Ernst der Fromme (geb. am 25. Dec. 1601),
der neunte Sohn Herzogs Johann von Weimar und der Herzogin Dorothea Maria,
geb. Prinzessin von Anhalt-Köthen. Er zeichnete sich, wie seine Brüder Bern-
hard und Wilhelm, im dreissigjährigen Kriege aus und bewährte einen nicht
gewöhnlichen Feldherrnblick bei Nürnberg und Lützen; 1634 zog er sich indessen
vom Kriegsschauplatz zurück, trat 1635 dem Prager Frieden bei und lebte nun
ganz der Hebung und Reorganisation seiner durch den Krieg zerrütteten Lande.
Durch den oben erwähnten Hauptvertrag vom 12. Sept. 1641 hatte Herzog
Ernst die gothaischen Lande erhalten, welche 1644 durch das Aussterben der
eisenachischen, 1672 durch das Erlöschen der altenburgischen Linie sehr ver-
mehrt wurden. Er nahm seinen bleibenden Sitz zu Gotha, weshalb seine Linie
die gothaische genannt wird. Ein eifriger Anhänger der lutherischen Lehre,
trug er besonders für Kirchen- und Schulangelegenheiten die treueste Fürsorge.
Die wohlthätige Wirksamkeit dieses trefflichen Fürsten zeigt sich bis auf den
heutigen Tag in vielen noch fortbestehenden Einrichtungen. Der anerkannt hohe
Stand des thüringischen Volksschulwesens ist zum Theil noch auf ihn zurück-
zuführen. Auch nach aussen hin wirkte er für die Verbreitung der evangeli-
schen Lehre. Er war ein Freund und Kenner der Wissenschaften, besonders der
Geschichte und Mathematik, besass viele praktische Kenntnisse in der Staats- und
Landwirthschaft und war besonders einsichtig im Polizeiwesen, welches er durch
seine trefflichen Polizeiordnungen regelte. Ueberhaupt stellt sich in Ernst dem
Frommen das Bild eines deutschen Fürsten dar, welcher die ungeordnete mittel-
alterliche Patrimonialwirthschaft in ein geordnetes modernes Staatswesen über-
leitet und zwar im echt deutschen Sinne einer soliden Reform, mit Anerkennung
wohlbegründeter Rechte, besonders auch der bestehenden landständischen Ver-
fassung. Seine Bestrebungen finden ihren besten Ausdruck in dem Buche eines
1) August Beck, Geschichte des gothaischen Landes, besonders Bd. I. Geschichte der Regenten
des gothaischen Landes. Gotha 1868. (Werthvoll durch reiche archivalische Mittheilungen.) Der-
selbe, Ernst der Fromme, Herzog zu Sachsen-Gotha.u. Altenburg. Weimar 1865. 2 Bde. Johann
Heinrich Gelbke, Herzog Ernst der Fromme. Gotha 1810. 3 Bde.