Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 38. 39. 119 
wandlung in Freiheitsstrafe erfolgt durch das Militärgericht. Besondere Vorschriften 
regeln den Gerichtsstand für solche Delikte, welche vor dem Eintritt in den Dienststand 
begangen sind, und für solche, bezüglich deren die Untersuchung beim Eintritt des Termins 
der Entlassung aus dem Dienststande noch schwebt. Die Gerichtsbarkeit zerfällt in die 
höhere, welche alle Straffälle gegen Officiere und höhere Militärbeamte, sowie die mit 
strengerer Strafe bedrohten Handlungen der übrigen Militärpersonen betrifft (Kriegsgericht), 
und in die niedere Gerichtsbarkeit (Standgericht). Sie wird verwaltet durch das General- 
auditoriat, Korps-, Divisions-, Regiments= und Garnisongerichte. Außerdem besteht 
noch ein besonderes Militärgericht bei dem Invalidenhause in Berlin und bei dem 
medicinisch-chirurgischen in Berlin nebst der damit in Ver— 
bindung stehenden medicinisch-chirurgischen Akademie. Für jeden Untersuchungsfall wird 
ein Untersuchungs= und ein Spruchgericht besonders bestellt. Die Vollstreckung der 
wegen nichtmilitärischer Verbrechen verhängten Todesstrafe und der Zuchthausstrafe er- 
solgt durch die Staatsanwaltschaften an den Civilgerichten. Die richterlichen Militär- 
justizbeamten (Auditeure) müssen zum Richteramt befähigt sein und unterliegen den 
für letzteres gegebenen Disziplinarvorschriften. 
Die Vorschriften über die Handhabung der Disziplin im Heere — auch für eine 
Anzahl leichterer, im Militärstrafgesetzbuch vorgesehener Vergehen, Einführungsgesetz zum 
Millitärstrafgesehzbuch § 3 — werden nach § 8 des Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874 
vom Kaiser erlassen. Maßgebend ist — nicht für Bayern und Württemberg — die 
Disziplinarstrafordnung vom 31. October 1872 (Armeeverordnungsbl. S. 330) nebst 
den sie abändernden Allerhöchsten Ordres vom 4. August 1887 (ebenda S. 241) und 
31. December 1888 (ebenda 1889 S. 5), womit zu verbinden ist Gesetz, betreffend 
die Ausübung der militärischen Kontrole über Personen des Beurlaubtenstandes, die 
Uebungen derselben, sowie die gegen sie zulässigen Disziplinarstrafmittel, vom 15. Februar 1875 
§§ 6, 7 (Reichs-Gesetzbl. S. 65) und — wegen der Landsturmpflichtigen — das Gesetz, 
betreffend Aenderungen der Wehrpflicht, vom 11. Februar 1888 Art. II § 26 (Reichs- 
Gesetzbl. S. 11). 
C. Bei erklärtem Belagerungszustande können außerordentliche Kriegsgerichte angeordnet 
werden, Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 (unten Art. 111 An- 
merk. B 5). 
D. Unabhängig von den Militärgerichten bestehen die sog. Ehrengerichte der Officiere. Die 
Verordnung über die Ehrengerichte des Officierstandes vom 20. Juli 1843 (Ges.-Samml. 
S. 299) ist in Gemäßheit Art. 61 Reichsverfassung in dem ganzen Reiche mit Ausnahme 
von Bayern und Württemberg eingeführt, dann aber durch die — nicht publicirte — 
Verordnung über die Ehrengerichte des Officierstandes vom 2. Mai 1874 — abgeändert 
durch Allerhöchste Ordre vom 5. November 1891 (Armeeverordnungsblatt S. 246) — 
ersetzt worden. 
Artikel 38. 
Die bewaffnete Macht darf weder in noch außer dem Dienste 
berathschlagen oder sich anders, als auf Befehl, versammeln. Ver- 
sammlungen und Vereine der Landwehr zur Berathung mili- 
tärischer Einrichtungen, Befehle und Anordnungen sind auch dann, wenn 
dieselbe nicht zusammen berufen ist, untersagt. 
Artikel 39. 
Auf das Heer finden die in den Gesetzen und Artikeln 5, 6, 29, 
30 und 32 enthaltenen Bestimmungen nur insoweit Anwendung, als 
die militärischen Disziplinarvorschriften nicht entgegenstehen. 
4. Siehe die Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung 
gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs= und Vereinigungsrechtes vom 11. März 1850 
§ 22, unten Nr. III. 
B. Reichsmilitärgesetz. Vom 2. Mai 1874. (Reichs-Gesetzbl. S. 45).
	        
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