Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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I. Verfassungsurkunde v. 31. Januar 1850. Art. 59. 
steuer der Prinzessinnen und zur Tragung der Kosten der Vermählung liegt dem 
Könige ob, in dessen Namen, wenn auch unter Zuziehung der prinzlichen Eltern, 
die Ehepakten abgeschlossen werden. Die früher übliche Fräulein= oder Prinzessin- 
steuer ist seit Anfang des vorigen Jahrhunderts nicht erhoben. Bei der Vermählung 
der Prinzessin Alexandrine mit dem Erbgroßherzog von Mecklenburg-Schwerin 
ordnete der König nach der Kabinetsordre vom 18. Juli 1822 (Ges.= 
Samml. S. 189) 
aus Gnade und Milde, jedoch ohne Konsequenz für die Zukunft und ohne seinen 
Nachfolgern in der Krone etwas zu vergeben, an, die Unterthanen für diesmal mit 
solchem Beitrage zu verschonen. 
In gleicher Weise wurde in acht späteren Fällen, zuletzt 1865 (Allerhöchster 
Erlaß vom 13. November 1865, Ges.-Samml. S. 1132), die „herkömmliche“ Prinzessin- 
steuer durch Königliche Ordres „unter Vorbehalt des Rechtes für künftige Fälle"“ 
speziell erlassen. Seit 1865 scheint sie in Vergessenheit gerathen zu sein; zu ihrer 
Reaktivirung würde jedenfalls ein Gesetz erforderlich sein. Die Aussteuer beträgt 
nach dem Geraischen Hausvertrage Abs. 6 20 000 Gulden „Landeswährung“, ist 
aber seit Annahme der Königskrone, mit Unterscheidung der Königstöchter und der 
anderen Prinzessinnen, bedeutend erhöht worden. Diese Aussteuer wird gewährt 
„sambt zimlicher ausfertigungkh nach derselbenn Würdenn unnd Ehrenn“", einer 
Mobiliarausstattung von gewöhnlich gleich hohem Betrag wie das baare Heiraths- 
gut. Der Geraische Hausvertrag Atbsatz 6 bestimmt 
„das sich hergegenn jede Tochter, ehe sie Ehlich beygeschlaffenn hatt, nach aller 
Nodturfft, Vetterlich, Mütterlichs und Brüderlichs Erbes nach altem Hehrkommenn 
verzeihenn soll“, 
und eine gleiche Bestimmung findet sich bereits in der Achillea vom 24. Februar 
1473 (unten VI. 1). Die vermählten Prinzen leben nicht in Gütergemeinschaft mit 
ihren Ehefrauen; den Ehefrauen wird in den Eheverträgen herkömmlich ein Witthum 
und ein Wittwensitz Seitens des Familienoberhauptes zugesichert. Morgengabe, 
Hand-, Spill= und Nadelgelder, sowie Gegenvermächtniß (Contrados) werden zwar 
in den Eheverträgen noch genannt, aber „anstatt der Morgengabe, wie auch zur 
Kleidung und täglichem Handpfennig und Spillgeldern" wird der Prinzessin zur 
„selbsteigenen Disposition“ eine bestimmte Jahresrente ausgesetzt. Auch das Gegen- 
vermächtniß wird nicht mehr wirklich ausgezahlt, sondern soll, in gleicher Höhe mit 
dem baaren Heirathsgute, zu dessen und des Witthums Sicherheit dienen, daher „den 
zur Hypothek zu setzenden Kronfideikommißfonds nur so lange belasten, bis alle 
Festsetzungen wegen des Heirathsgutes und wegen des Witthums von Seiten des 
Königlichen Hauses erfüllt sind.“ Unten sub VI 4 ist ein Ehevertrag mitgetheilt. 
Bezüglich des Erbrechts ist zunächst zu bemerken, daß die Wittwen, abgesehen 
von Witthum und Wittwensitz, ein Erbrecht an dem Nachlaß des verstorbenen Gatten 
nicht haben, und daß das eingebrachte Vermögen der in das Königliche Haus hei- 
rathenden Prinzessinnen bei beerbter Ehe an die Kinder, bei unbeerbter an das an- 
gestammte Haus fällt, also auch den Prinzen kein Intestaterbrecht an dem Nachlasse 
ihrer Gattinnen zusteht. Die Fideikommißvermögen unterliegen den Bestimmungen 
der Stistungsurkunden. Der König ist bei der Testamentserrichtung an keine Formen 
gebunden und darf über sein Privateigenthum frei, ohne Beschränkung durch Noth- 
und Pflichttheilserben, testamentarisch verfügen. In Ermangelung einer entgegen- 
stehenden Bestimmung inter vivos oder mortis causa sind nach § 15 A. L. N. I. 14 
die von ihm als erstem Erwerber erworbenen Immobilien bei seinem Ableben als 
den Staatsdomänen einverleibt anzusehen. Sein gesammter übriger Privatnachlaß 
fällt in Ermangelung testamentarischer Anordnung an den Thronfolger. Das In- 
testat-, Notherb= und Pflichttheilsrecht der übrigen Mitglieder des Königlichen Hauses 
bestimmt sich ganz nach dem für Berlin geltenden Rechte (dem Gemeinen Rechte 
und der Joachimica von 1527), ohne Unterschied zwischen Agnaten und Cognaten, 
Mobilien und Immobilien. Ihre letztwilligen Bestimmungen sind nach § 176 A. 
L. R. 1 12 formell gültig, wenn sie dem Familienhaupte überreicht und dem Ka- 
binetsarchive oder einem Gerichte zur ferneren Aufbewahrung zugefertigt worden 
sind, bedürfen aber zu ihrer materiellen Gültigkeit der Genehmigung des Familien- 
hauptes nach eingetretenem Erbfalle. 
Als Behörde für die Angelegenheiten des Königlichen Hauses fungirt das Ministerium 
des Königlichen Hauses. Dasselbe besteht aus dem Minister, einem Direktor, meh- 
reren vortragenden Räthen, einem Kassenkurator, mehreren Sekretären, Kalkulatoren,
	        
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