Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 60. 173 
war für jeden einzelnen Fall auf den Antrag des Staatsministeriums vom König Be- 
stimmung zu treffen, und ebenso hing es nunmehr lediglich von dem Beschlusse des Königs 
ab, über den Entwurf eines Gesetzes oder einer Verordnung ein Gutachten des Staats- 
raths einzuziehen oder auch nicht einzuziehen. 
Seit März 1848 hörte der Staatsrath, ohne aufgehoben zu sein, thatsächlich zu 
cxistiren auf, wurde aber durch Allerhöchsten Erlaß vom 12. Jannar 1852 (Verwalt.= 
Minist.-Bl. S. 21) reaktivirt und trat zuerst am 4. Juli 1854 wieder zusammen, um 
alsdann dreißig Jahre lang ein Schattendasein zu führen. Gemäß § 1 des Gesetzes 
über das Verfahren bei Kompetenzkonflikten zwischen den Gerichten und Verwaltungs- 
behörden vom 8. April 1847 (Ges.-Samml. S. 170) bildeten sein Präsident, sein Staats- 
sekretär und neun andere Mitglieder den Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenz- 
konflikte. Diese Bestimmung fiel mit dem 1. Oktober 1879 weg. Im Jahre 1883 wurde 
ohne ersichtlichen Grund eine Wiederbelebung versucht, neue Mitglieder ernannt und 
eine neue, nicht publizirte Geschäftsordnung ausgearbeitet. Einberufungen des Staats- 
rathes fanden sodann statt im Oktober 1884, Januar, März und April 1885, Februar 
1890 und — während der Correctur dieses Bogens — im März 1895, wobei die 
Gegenstände der Berathung zum Theil der Reichsgesetzgebung angehört haben. Eine 
staatsrechtliche Bedeutung ist dieser Galvanisirung des zur Zeit des absoluten König- 
thums allerdings hochverdienten Institutes nicht beizulegen. Zur Zeit sind die Stellen 
des Präsidenten, Vicepräsidenten und Staatssekretärs unbesetzt. Es ist auch nicht abzusehen, 
welchen Werth eine beliebig zu benutzende und fast ebenso beliebig all hoc zusammenzusetzende 
Gesetzeskommission hat, deren Gutachten für die Krone nicht bindend und für den Landtag, 
der auf ihre Zusammensetzung einen Einfluß nicht besitzt, geradezu gleichgültig ist, zumal 
die Berathungen unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfinden. 
Das Staatsministerium umfaßt gegenwärtig folgende Mitglieder: 
1. Präsident, 
.Vicepräsident, 
. Minister der auswärtigen Angelegenheiten, 
Finanzminister, 
.Miunister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten (sogenannter 
Kultusminister), 
. Minister für Handel und Gewerbe, 
. Minister des Innern, 
Justizminister, 
4Kriegsminister, 
. Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, 
. WMinister der öffentlichen Arbeiten. 
Als Ministerialbeamte sind angestellt ein Unterstaatssekretär, drei vortragende 
Räthe und das erforderliche Bureaupersonal. 
Gegenwärtig fungiren als Präsident und als Minister der auswärtigen An- 
gelegenheiten der Deutsche Reichskanzler, als Vicepräsident, jedoch ohne spezielles Porte- 
feuille für Preußen, also nur Sprechminister, der Deutsche Staatssekretär des Innern. 
Ebenfalls Staatsminister ohne Portefeuille ist der Deutsche Staatssekretär des Acußern. 
Nach einer Kabinetsordre vom 9. Dezember 1827 (Ges.-Samml. 1828 S. 5) ist 
der Präsident des Staatsraths, auch wenn er nicht Minister ist, befugt, den Sitzungen 
des Staatsministeriums beizuwohnen. 
Das Staatsministerium hat die Aufgabe, die sämmtlichen Einzelministerien in 
organischen Zusammenhang zu bringen, damit nicht durch deren — von einander un- 
abhängige — Einzelleitung die nothwendige Einheit der Staatsverwaltung verloren 
gehe. Diese Aufgabe vermag es aber nicht zu erfüllen. 
Zunächst deshalb nicht, weil die Stellung des — in der Verfassungsurkunde 
ar nicht erwähnten — Vorsitzenden des Staatsministeriums, des Ministerpräsidenten, 
Ktootsrechtlich eigentlich gleich Null ist. Der Ministerpräsident hat nämlich nur die 
folgenden Sonderbefugnisse: 
1. Er hat den Vorsitz und die Leitung der Sitzungen des Staatsministeriums, falls 
nicht der Monarch selbst Vorsitz und Leitung übernimmt (sog. Kronrath); 
. er hat die Schriftstücke des Staatsministeriums zu vollziehen; 
er darf den Vorträgen der anderen Minister beim Monarchen beiwohnen; 
.l er hat die Vorschläge des Präsidenten der Oberrechnungskammer auf Ernennung 
von Direktoren und Räthen dieser Behörde gegenzuzeichnen (Gesetz, betreff end die 
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