420 III. Verordn über rc. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. 8 22.23.
Das Sgeß rechnet die Wahlvereine zu den politischen Vereinen und entzieht sie
nur den in § 8 für diese vorgesehenen Beschränkungen, nicht aber auch den in den §8
1 bis 7 enthaltenen Bestimmungen —, Anzeigepflicht, Ueberwachung, Auflösung, Fern-
haltung bewaffneter Theilnehmer aus der Versammlung (Reichsgericht 8. November 1887,
Entscheidungen in Strafsachen Bd. 16 S. 294). Ebensowenig sind sie natürlich einer
allgemeinen polizeilichen Einwirkung im Interesse der Sicherheit, Wohlfahrt und Sitt-
lichkeit entzogen (siehe Anm. E. zu § 1, oben S. 384). In solcher Erwägung kann die
Polizeiverwaltung einer bestimmten einzelnen Versammlung auch eines Wahlvereins nach
Ort und Zeit Grenzen lehen. Ebenmäßig können z. B. die Behufs Besprechung einer
Wahl zum Landtage Versammelten, welche über die gebotene bolizeistunde hinaus in
dem Wirthshause verweilen, dieses ihres Zweckes halber nicht für straflos erachtet werden
Obertribunal 29. Januar 1874, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 15 S. 43). Dagegen
ndet die von einem älteren Kommentator dieses Gesetzes — Thilo Das Preuhif e
Vereins- und Versammlungsrecht unter Berücksichtigung der Deutschen Bundesgesetzgebung
dargestellt und erläutert, 1865, S. 110 — aufgestellte Ansicht, daß nicht wahlberechtigte
Pecfonen, also z. B. Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge von der Theilnahme an
Wahlvereinen und deren Versammlungen ausgeschlossen seien, in dem Gesetz keinen An-
halt oder steht geradezu in Widerspruch zu demselben.
Nach § 17 des Reichsgesetzes vom 31. Mai 1869 (oben S. 374) haben die Wahl-
berechtigten das Recht, zum Betrieb der den Reichstag betreffenden Wahlangelegenheiten
Vereine zu bilden und in geschlossenen Räumen unbewaffnet öffentliche Versammlungen
zu veranstalten, unbeschadet jedoch der Bestimmungen der Landesgesetze über die Anzeige
der Versammlungen und Vereine, sowie die Ueberwachung derselben. Die Reichswahl-
vereine würden also den Beschränkungen des § 8 auch dann nicht unterstehen, wenn der
Abs. 2 des § 21 ganz fehlte. Die Bestimmung des Reichsgesetzes ist insofern nicht
korrekt, als nicht blos die Veranstalter, sondern überhaupt alle Theilnehmer der Ver-
sammlung unbewaffnet sein müssen. Eine Beschränkung gegenüber den Preußischen
Wahlvereinen waltet bezüglich der Reichswahlvereine insofern ob, als die letzteren und
ihre Versammlungen nur von Wahlberechtigten gebildet und veranstaltet werden dürfen,
wobei aber das Wort „veranstalten“ nicht für identisch zu nehmen ist mit „besuchen“.
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Zuwiderhandlung gegen die Vorschrift des Artikels 38 der Verfassungsurkunde
vom 31. Januar 1850, welcher also lautet:
„Die bewaffnete Macht darf weder in noch ausser dem Dienste berath-
schlagen, oder sich anders, als auf Befehl versammeln. Versammlungen und
Vereine der Landwehr zu Berathungen militärischer Einrichtungen, Befehle und
Anordnungen sind auch dann, wenn dieselbe nicht zusammenberufen ist, untersagt“
wird nach den Bestimmungen des § 125 des ersten Theiles des Militär-Strafgesetz--
buches bestraft.
Durch § 2 Abs. 1 des Einführungsgesetzes #um iltrmtuufseletzuuchs für das Deutsche
Reich vom 20. Juli 1872 (Reichsgesetzbl. S. 173) ist das Preußische Militär-Strafgesetz-
buch vom 3. April 1845 (Ges.--Samml. S. 287), insoweit es materielles Strafrecht zum
Gegenstande hat, mit dem 1. April 1872 außer Kraft getreten, und seitdem gelten an
Stelle des genannten § 125 die oben S. 375 unter Nr. 4 mitgetheilten reichsrecht-
lichen Bestimmungen. Das Versammlungs= und Vereinsrecht der Landwehr ist jetzt
gänzlich unbeschränkt. 23
Gegenwärtiges Gesetz tritt an die Stelle der Verordnung vom
29. Juni 1849 (Gesetz-Samml. S. 221—225).
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und
beigedrucktem Königlichen Insiegel.
Gegeben Charlottenburg, den 11. März 1850.
(L. S.) Friedrich Wilhelm.
Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Manteuffel.
v. d. Heydt. v. Rabe. Simons. v. Schleinitz. v. Stockhausen.