Full text: Hamburgisches Staatsrecht auf geschichtlicher Grundlage.

Die Rechts- 
sprechung. 
Die Rechts- 
setzung. 
Im absoluten, 
im konstitu- 
tionellen Staat. 
Gesetz und 
Verordnung. 
— 104 — 
Bei der Auseinandersetzung zwischen der Staatsgewalt des 
Reiches und der der Bundesstaaten ist der Reichsstaatsgewalt 
die gemeinsame Gesetzgebung über das gesamte bürgerliche 
Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren (Reichsverf., 
Artikel 4, Nr. 13, Gesetz vom 20.12. 1873) zugefallen. Mit 
Fug können wir daher die Rechtssprechung, weil sie der Haupt- 
sache nicht mehr hamburgischen Staatsrechtes ist, ausscheiden. 
Die staatliche Funktion der Rechtssetzung ist allgemein 
gesprochen nichts anderes wie die rechtliche Formulierung 
der Staatsbedürfnisse Und zwar kann das durch das Staats- 
interesse bedingte Bedürfnis hervortreten sowohl in der An- 
ordnung von allgemein verbindlichen Rechtssätzen, von Normen, 
wie in der positiven Bestimmung über die Verwendung und Be- 
handlung gewisser Sachgüter. Man pflegt diese Funktion im 
modernen Staat regelmässig als die Gesetzgebung zu be- 
zeichnen, dabei ihre wichtigste Erscheinungsform, das Gesetz, 
für das Ganze nehmend. 
Es ist ohne weiteres klar, dass die Form der Rechts- 
setzung nach der Stelle, an welcher diese Fähigkeit ruht, ver- 
schieden sein muss. 
Im autokratisch regierten Staat, wo die einzige Stelle 
staatlichen Willens die Person des Herrschers ist, ist jede Willens- 
äusserung desselben, welche erfolgt, um eine allgemeine verbind- 
liche Norm aufzustellen, Rechtssatz,. Naturgemäss wird sich eine 
bestimmte Form für solche Willensäusserung nicht finden 
lassen, jede ist Rechtssatz. Gesetz wird regelmässig die sich 
selbst so bezeichnende Willenserklärung sein oder die in der 
üblichen feierlichsten Form erlassene. 
Diese Formfreiheit der Rechtssetzung musste aufhören, so- 
bald die Rechtssetzung nicht mehr willkürlich von einer Stelle 
ausging, sondern auf Grund einer Verfassung an das Zusammen- 
wirken bestimmter Faktoren geknüpft war, also, für deutsche 
Verhältnisse gesprochen, im konstitutionellen Staat. 
Die Verfassung oder besser gesagt das Staatsrecht, be- 
grenzte jetzt überhaupt die rechtliche Möglichkeit staat- 
licher Rechtssetzung, der Name Gesetz kam nur noch dem 
Produkt des Zusammenwirkens der verfassungsmässigen Faktoren zu. 
Mit dem Gesetz war aber keineswegs die Möglichkeit und 
das Bedürfnis der Rechtssetzung erschöpft. Die die freie 
Staatsthätigkeit pflegende Regierung ist fortwährend gezwungen,
	        
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