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hochdeutschen austreiben wollte. Erst 1844 wärd, nachdem man
bislang ihre Religionsübung in Privathäusern nicht gestört hatte,
ihnen der erste Tempelbau stillschweigend gestattet.
Die Stellung der lutherischen Kirche als ecelesia dominans
wurde durchbrochen durch die Bestimmungen der deutschen
Bundesakte vom 8.6. 1815, welche den drei christlichen Religions-
parteien politische Gleichstellung verhiess. Infolgedessen wurden
durch Schlüsse vom 20.10. 1814 bezw. 16.12. 1819 Reformierte,
Katholiken und Mennoniten in den Konvent gelassen. Die
bürgerlichen Kollegien blieben ihnen wegen ihres streng luthe-
rischen Charakters aber noch verschlossen, im Senat und im
Konvent mussten sie sich der Abstimmung in evangelicis ent-
halten.
Dieser bis zum Jahre 1848 währende hamburgische Zustand
muss als das Prinzip des ausgesprochenen Staatskirchen-
tums bezeichnet werden.
Sennung von Als am 9.3. 1848 die Vierundzwanzig im Hinblick auf die
'n Hamburg. sieoreiche Februarrevolution das Programm für die beabsichtigte
hamburgische Verfassungsänderung in den zwölf Punkten ent-
warfen, beschäftigten sie sich in dreien mit dem Verhältnis von
Staat und Kirche. Sie verlangten: 1. Gänzliche Trennung von
Staat und Kirche. Unabhängigkeit der bürgerlichen und poli-
tischen Rechte vom religiösen Bekenntnis. 2. Ausdrückliche An-
erkennung der Freiheit, nicht nur der politischen, sondern auch
der religiösen Association. 3. Trennung der Schule von der
Kirche.
Was die Vierundzwanzig hier entwickelten, war ein Teil
des Programms des gesamten deutschen doktrinären Liberalismus
und wies auf die Bestimmungen der berühmten belgischen Ver-
fassung vom 25.2. 1831 hin, die vielfach als das Ideal einer
konstitutionellen Gesetzgebung bewundert wurde. In der Be-
kenntnisfreiheit und der Gleichheit des Bekenntnisses vor
dem Gesetz erblickte man einen Teil der gepriesenen liberalen
Grundrechte. Allein man übersah damals durchaus, dass Belgien
den berühmten Grundsatz, den Cavour später in die Formel:
Freie Kirche im freien Staat, kleidete, selbst verachtet hatte.