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Ausser der hamburgischen Staatsgewalt muss aber, wenn
anders das Reich ein Staat ist, auch für das letztere eine Staats-
gewalt bestehen. Wie verhalten sich diese beiden Staatsgewalten
zu einander? Im Vorhergehenden ist die Annahme einer zwischen
Reich und Bundesstaat geteilten Souveränität, die vielfach kon-
Struiert wird, abgelehnt. Ebenso muss hier die Möglichkeit der
Teilung einer einzigen Staatsgewalt zwischen Zentral- und Glied-
Staat zurückgewiesen werden. Die Staatsgewalt ist eine natür-
liche Einheit und begrifflich unteilbar. Das Reich und die
Bundesstaaten besitzen jeder eine eigene Staatsgewalt mit sämt-
lichen Erscheinungsfähigkeiten. Diese haben lediglich, um Konflikte
zu vermeiden, die Ausübung der, an sich jedem voll zustehenden
Kompetenzen untereinander verteilt. Wenn sich also jetzt das
Reich und Hamburg auf gewissen Gebieten ausschliessen, so sind
nicht die deutsche und die hamburgische Staatsgewalt erst zu-
sammen die ganze Staatsgewalt, sondern sie sind zwei selbständige,
sich gegenseitig beschränkende Einzelgewalten.
Demnach ist die hamburgische Staatsgewalt der In-
begriff derleiblichen und wirtschaftlichen, der geistigen
und seelischen Kräfte, welche der auf dem hambur-
gischen Staatsgebiet sesshaften Bevölkerung zur Ver-
fügung des Staates entströmen.
Diese Gewalt, diese Macht kommt allein dem Staate zu,
der Staat Hamburg selbst herrscht. Er hat sich aber
dieser eigenen Herrschaft in gewissen Richtungen nach Massgabe
der Reichsverfassung begeben.
Ihren praktischen Wert erhält diese Staatsgewalt erst durch
die Richtung auf bestimmte Ziele. Zum Können muss das
Wollen treten. In der Bewegung auf ein bestimmtes Ziel offen-
bart sich der Staatswille Einen Willen können aber nur
physische Personen, Menschen fassen, und daher gehört zu
jeder Staatsgewalt ein willensfähiger Mensch oder eine Mehrheit
von solchen als Willensbildner. Wer die Fähigkeit hat, als
Willensbildner für den Staat aufzutreten, wer für den Staat
wollen darf, ist Inhaber der Staatsgewalt.
Der Inhaber der Staatsgewalt ist Organ des Staates.
Ein solches Organ muss jeder Staat haben, es tritt auf mit der
Entstehung des Staates, mit seinem Verschwinden geht der Staat
unter. Es ist also für das Dasein des Staates begriffsnotwendig.
Welcher bestimmte Mensch oder welche Mehrheit von Menschen
Seelig, Hamburgisches Staatsrecht. 4
Der Gebrauch
der Staats-
gewalt.