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ihr lösten sich allmählich einzelne Normen und damit mit der
Zeit die Gesetzgebung heraus. Aus der Anwendung des Gesetzes
auf den Rechtsbruch ergab sich die Rechtssprechung. Auch als
die Funktionen schon getrennt waren, werden sie vermutlich noch
lange in der Hand des als einziges Organ fungierenden Herrschers
verblieben sein.
Auch heute mangelt die gänzliche Trennung der Gewalten ypung nieht ze.
nach Funktionen und Organen noch durchaus. So nimmt die "ennt-
Gesetzgebung mit der sogenannten formellen Gesetzgebung
2. B. bei der Budgetbewilligung, der Konzessionserteilung durch-
aus Verwaltungsfunktionen wahr, während die Rechtssprechung
mit der Justizverwaltung in das Gebiet der Verwaltung, diese
selbst wiederum mit Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verordnungs-
recht in das der Rechtssprechung und das der Gesetzgebung hin-
über greift. Und was die angeblich getrennten Organe anlangt,
so ist in Hamburg die vermeintlich nur gesetzgebende Bürger-
schaft durch die Wahlen zu den Deputationen ein Verwaltungs-
träger ersten Ranges geworden, bei der Wahlprüfung aber übt sie
richterliche Thätigkeit. Nicht minder ist der Verwaltung durch
die Einreihung des Disziplinarrechts solche zugefallen; dagegen
sind die den Gerichten überwiesenen Geschäfte der freiwilligen
Gerichtsbarkeit nichts anderes wie mit der Garantie der Rechts-
Sprechung umgebene ‚Verwaltungsakte.
In Bezug auf die versuchte Ausschöpfung der Staatsgewalt
ist schon oben gegen die Gewaltenteilung der Einwand gemacht,
dass sie ganz vergessen hat, die Ausübung des für Hamburg so
eminent wichtigen Disziplinarrechts gegen delinquierende Rats-
glieder einzureihen. Ebensowenig findet einen Platz in Artikel 6
die Spruchthätigkeit des Reichsgerichts bei gesetzgeberischen
Dissensen über Verfassungsfragen. Und endlich hat man ganz
und gar übersehen, dass ausserhalb der in den Gewalten ver-
körperten Erscheinungen die Staatsgewalt noch ein Element birgt, 24 dis Ravie-
das erst die Staatsgewalt zur eigentlichen arbeitenden Staats- ""#
Sewalt macht, die Regierung.
Man kann sich ganz allgemein den Staat in zwei Zuständen
vorstellen. Entweder so, dass alle Organe und Behörden neben-
und untereinander aufgebaut, die Ämter geschaffen, die Kom-
Petenzen bestimmt, die Aufgaben allesamt verteilt sind. Das
Seelig, Hamburgisches Staatsrecht. ö