Erster Abschnitt.
Geschichtliche Ginleitung.
I. Kapitel.
Bayern bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts.
§ 1. Das landesherrliche Haus und die Erbfolge. Volk und Herrscherhaus sind in Bayern
seit mehr als sieben Jahrhunderten verbunden. Es ist für den Zweck dieser geschichtlichen Ein-
leitung in die Darstellung des geltenden bayerischen Staatsrechtes nicht nötig, auf die Ereignisse
zurückzugehen, die vor dem Auftreten der Wittelsbacher liegen.
Der Begründer des bayerischen Herrscherhauses ist Otto I. von Wittelsbach, den Kaiser
Friedrich I. im Jahre 1180 mit dem Herzogtum Bayern belehnte. Allerdings übernahm Otto das
Herzogtum nicht in seinem alten Bestande. Wichtige Landesteile, insbesondere Oesterreich, Steier-
mark und Tirol, waren oder wurden losgetrennt. Der Verband der geistlichen Fürsten mit dem
Herzogtume lockerte sich mehr und mehr. Doch bildeten wertvolle Landerwerbungen Ottos I. selbst
und seines Sohnes Ludwig I. einen Ersatz; vor allem aber der Erwerb der Pfalz, mit welcher
Ottos I. Enkel Otto II. 1214 belehnt wurde. Des letzteren Söhne, Ludwig II. und Heinrich XIII.
nahmen am 28. März 1255 die erste Landesteilung vor. Ludwig erhielt die Pfalzgrafschaft, Ober-
bayern und Aemter im Nordgau; Heinrich Niederbayern. -
Zwischen den Söhnen Ludwigs, Rudolf und Ludwig IV. kam es wegen der Führung der
Landesregierung zu manchfachen Wirren, deren endgültige Lösung erst nach Rudolfs Tode der
wichtige Hausvertrag von Pavia vom 4. August 1329 brachte. Vertragsteile waren einer-
seits die Abkömmlinge Rudolfs, nämlich seine Söhne Rudolf und Ruprecht I. und sein Enkel Rup-
recht II., andererseits Kaiser Ludwig der Bayer.
Folge des Vertrages war eine fast fünfthalb Jahrhunderte währende Landesteilung. Die
Pfalz nebst dem größten Teile des Nordgaues (Oberpfalz) kam an Nudolfs, das übrige Gebiet an
Ludwigs Linie. Ludwig selbst erwarb noch 1341 nach dem Aussterben der Linie Heinrichs Xlll.
Niederbayern hinzu.
Im Vertrage von Pavia gestanden beide Linien sich hinsichtlich ihrer Besitzungen das Vor-
kaufsrecht und für den Fall des Erlöschens einer Linie das Erbrecht zu. Die Kurstimme sollte zu-
nächst der Rudolfischen Linie zukommen.
Die Länder, welche Kaiser Ludwig den Stammlanden seines Hauses hinzuzufügen gewußt
hatte, erwiesen sich nicht als bleibender Besitz.
Auch das llebel der Landesteilungen trat immer von neuem zu Tage.
Wichtig ist der Teilungsvertrag vom 19. November 1392), der zwischen Lud-
wigs Enkeln, Stephanus J. Söhnen geschlossen wurde. Der Vertrag sicherte gegenseitiges Erbrecht
der Linien zu und stellte den Grundsatz der agnatischen Erbfolge fest. Außer
der noch vorhandenen Linie Stranbing-Holland, die 1425 erlosch und deren Lande 1429 unter die
bayerischen Herzoge nach Köpfen geteilt wurden, entstanden durch den Vertrag die Linien Ingolstadt,
erloschen 1447, Landshut, erloschen 1503, und München. Letztere Linie setzte hienach den Ludwig'=
schen Hauptstamm allein fort und vereinigte dessen Lande wieder. Allerdings gelang dies nicht
ohne einige Opfer an Gebiet.
Der letzte Herzog der Straubinger Linie hatte den Versuch gemacht, die Besitzungen dieser
Linie seiner Tochter Elisabet und deren Gatten Ruprecht von der Pfalz zuzuwenden. Der Schieds-
1) Ueber das Datum Vogel S. 7 Anm. 2.
Oaudbuch des Oeffentlichen Rechts II, 4. Bahern. 3. Auflage. 1