Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

4 Erster Abschnitt: Geschichtliche Einleitung. I. Bayern bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts. § 3. 
der Zweck der Schadlosbriefe, welche sich die Stände bei ihren Steuerbewilligungen erteilen ließen. 
Es ist einleuchtend, daß die erstarkende landesherrliche Gewalt und der mehr und mehr erwachende 
Staatsgedanke mit dieser privatrechtlichen Auffassung sich wenig zu befreunden vermochten. Und so 
zeigt sich denn in der Folge das Bestreben der Landesherren, sich von der ständischen Willigung 
unabhängige Einnahmequellen zu verschaffen. Die Landesherren versuchten gegen das ständische 
Steuerbewilligungsrecht auch mit Hilfe der Reichsgesetzgebung vorzugehen, doch nur mit teilweisem 
Erfolge. Wichtig ist der durch eine Mehrzahl von Reichsabschieden durchgeführte Grundsatz, daß 
die Untertanen für jene Leistungen zu stenern haben, welche den Reichsständen gegenüber dem 
Reiche obliegen. Damit war zweifellos eine öffentlichrechtliche Steuerpflicht begründet. 
Die direkten Steuern, welche der landständischen Bewilligung unterlagen, waren die Stand- 
steuer, die Landsteuer, die Grund= und Herrengiltsteuer, die Kapital= und Widumsteuer. Der Unter- 
schied zwischen Stand= und Landsteuer bildete sich erst im 16. Jahrhunderte aus. Vorher gab es, 
von anderen hier nicht zu erörternden Steuerreformen abgesehen, nur eine Landstener. 
Die Landsteuer war ihrer ursprünglichen Bedeutung nach eine Steuer, die das ganze Land, 
die Stände wie die gemeinen Untertauen, traf. Allein die Stände der Prälaten und Ritter wußten 
es vermittels ihres Rechtes der Selbsterhebung der Abgaben so einzurichten, daß lediglich ihre 
Hintersassen stenerten, sie selbst nichts beitrugen oder wohl gar die Steuererhebung zum Anlasse 
eigenen Gewinnes nahmen. So kam es, daß die fragliche Steuer auf dem Lande zu einer Steuer 
der Nichtbevorrechteten, der Gerichts= und Hofmarksuntertanen wurde. Nur der dritte Stand, 
die Städte und gebannten Märkte, trugen als Körperschaften zur Landsteuer bei und erhoben die 
übernommenen Beiträge durch Umlagen von ihren Bürgern. 
Eine Standsteuer oder Ständeanlage wurde zuerst im Jahre 1526 geleistet. 
Die Grund= und Herrengiltsteuer zahlten jene geistlichen und weltlichen Grundherrschaften, 
welche den drei gefreiten Ständen nicht angehörten, von den Zinsen und Gilten ihrer Güter im 
Lande, sowie von den Zehnten und dinglichen Abgaben. 
Die Kapitals= und Widumssteuer war von den Kapitalisten, die nicht zu den gefreiten Stäu- 
den gehörten, aus ihren Kapitalien, bezw. von den Geistlichen wegen ihrer Widumsgüter zu 
entrichten. 
All diese regelmäßigen direkten Steuern hießen die Ordinaristeuern. In außerordentlichen 
Fällen wurde auch zu anderen Formen der direkten Besteuerung gegriffen oder es verwilligten die 
gefreiten Stände neben der Standsteuer ein besonderes donum gratuitum. 
Eine außerordentliche Besteuerung, die aber im 18. Jahrhunderte zur regelmäßigen wurde, 
war, die Besteuerung des kirchlichen Vermögens. Man schlug hiebei den Weg ein, daß man sich 
vom Papste Dezimationen des Klerus und des Kirchengutes verwilligen ließ. 
Eine zweite Gattung von Abgaben, welche mit Bewilligung der Landstände zur Einführung 
gelangten, waren die Aufschläge, d. h. Abgaben von Artikeln, welche im Lande erzeugt und ver- 
zehrt wurden, ferner die Accisen d. i. Abgaben von der Einfuhr ausländischer oder von der Aus- 
fuhr inländischer Artikel. An einigen Orten des Oberlandes war noch eine besondere Art von 
Abgaben, das Ungelt (Umgeld) von Getränken und Vieh hergebracht. Endlich kamen Abgaben 
(Zölle) von durchgehenden Waren vor. Indessen wurden die Bezeichnungen für diese verschiedenen 
Gefälle vielfach mit einander vermengt. 
Bis in die sechziger Jahre des 17. Jahrhunderts gab es keine anderen regelmäßigen Auf- 
lagen als die Ordinaristeuern, die verschiedenen Aufschläge und das Umgeld. 
Die landesherrliche Gewalt benützte aber das Schwinden des ständischen Einflusses dazu, 
sich eine neue Quelle der manchfachsten Abgaben in den „Anlagen“" zu eröffnen. Die Anlagen hießen 
auch Hofanlagen, welchen Ausdruck man teils damit erklärte, daß sie nicht von der Landschaft, 
sondern vom Hofe ausgeschrieben, teils damit, daß die meisten derselben nach dem sog. Hoffuß er- 
hoben wurden. Ob der Landesherr befugt sei, ohne ständische Bewilligung solche Anlagen zu er- 
heben, war streitig, durch die Uebung aber im bejahenden Sinne entschieden. 
Nebst dem Rechte der Steuerverwilligung hatten die Stände auch Selbstverwaltungsrechte 
in Bezug auf die Stenern, die von ihnen genehmigt wurden. Sie hatten die Befugnis, diese Auf- 
lagen — die landschaftlichen Gefälle — durch ihre eigenen Organe, die Steuereinnehmer oder 
Untersteuerer und die Obersteuerer, zu erheben und in die Landschaftskasse abzuführen, von wo 
dann entweder an den Landesherrn die verwilligten Beträge ausbezahlt oder die betreffenden 
Summen durch die Landschaft selbst zur gehörigen Verwendung gebracht wurden. War ersteres der 
Fall, dann kam den Ständen auch ein Recht der Aufsicht darüber zu, daß die Verausgabung der 
Gelder zu dem bestimmungsgemäßen Zwecke erfolge. Auch die Einnahme und Verwaltung der 
Getränkeaufschläge und des Fleischaufschlages stand der Landschaft zu. 
Aus dem Steuerbewilligungs= und Steuerverwaltungosrechte der Landstände ergab sich eine
	        
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