8 Erster Abschnitt: Geschichtl. Einleitung. 1I. Bayern vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1818. 8 6.
Und nicht bloß das Eindringen unkatholischer Bewohner, auch das Eindringen unkatholischer
Gedanken von Außen wurde durch eine strenge Preßpolizei fernzuhalten gesucht.
Die Erziehung des Volkes im katholischen Glauben galt als ein Hauptziel des öffentlichen
Unterrichtes. Die gelehrten Schulen waren seit 1561 den Jesuiten überliefert, und wenn auch nach
Aufhebung des Jesuitenordens das Schulwesen unter Max Josef III. vom kirchlichen Einflusse sich
freimachen zu wollen schien, so wurden doch schon nach einigen Jahren durch Karl Theodor die
Mittelschulen wiederum in geistliche Hände gegeben. Das Volkeschulwesen aber stand fortgesetzt
unter der Mitaufsicht der kirchlichen Organe.
Auch dafür war Sorge getragen, daß nicht durch den Verkehr mit ganz oder teilweise ketze-
rischen Orten das Seelenheil der Untertanen Schaden nehme.
Die Ablegung des katholischen Glaubensbekenntnisses war Vorbedingung zur Anstellung im
Zivil= und Militärdienst, zur Aufnahme als Gewerbelehrling, zur Gestattung der Wanderschaft
und zum selbständigen Gewerbebetriebe.
Die weltliche Gewalt erachtete es ferner für ihre Aufgabe, darüber zu wachen, daß die
Untertanen ihren kirchlichen Verpflichtungen genügten und die Obrigkeiten ihnen hierin mit gutem
Beispiele vorangingen.
So sehr aber auch die Ausbildung der Glaubenspolizei den kirchlichen Anforderungen ent-
sprechen mochte, die weltliche Gewalt in Bayern betrachtete sich zwar als die Dienerin des katho-
lischen Glanbens, nicht jedoch als die Dienerin der katholischen Kirche. Der Landesherr war In-
haber der Kirchenhoheit; sein Organ für deren Ausübung war der geistliche Rat.
Den Ausgangspunkt für die neuere Entwickelung des Verhältnisses zwischen der weltlichen
und geistlichen Gewalt in Bayern bildete das Konkordat, welches unter Vermittelung des päpst-
lichen Nuntius am 5. September 1583 mit den Erz= und Hochstiftern Salzburg, Passau,
Freising, Regensburg und Chiemsee abgeschlossen wurde. Ein Rezeß mit dem Hochstifte Augsburg
folgte unterm 20. September 1631 und fand durch weiteren Rezeß vom 29. Jannar 1684 seine
Vervollständigung.
Der Landesherr übte als folcher auf dem Gebiete der kirchlichen Verwaltung das Recht der
Posseßgebung. Er hatte kraft Herkommens das Recht der Besetzung der Pfründen in den päpst-
lichen Monaten und das Recht der Bestätigung der Abtwahlen. Der Besetzung von Kirchenämtern
mit Ausländern wurde durch beschränkende Vorschriften entgegengetreten.
Die Landesherren betrachteten es als ihr Recht, Aufsicht darüber zu üben, daß die Geist-
lichkeit den Pflichten ihres Amtes und Standes nachkomme, und die Erfüllung dieser Obliegen-
heiten durch weltliche Zwangsmittel, insbesondere durch die Temporaliensperre zu erzwingen.
Mit besonderer Entschiedenheit wurden unter Maximilian III. Josef die Kirchenhoheitsrechte
gegenüber den Klöstern und sonstigen geistlichen Genossenschaften geltend gemacht.
Einen maßgebenden und auch durch das Konkordat von 1583 vollinhaltlich anerkannten
Einfluß übte der Landesherr auf die Verwaltung des Kirchenvermögens.
Auf höchst empfindliche Weise griff die Landesgewalt in das kirchliche Vermögensrecht auch
dadurch ein, daß sie ihr Aufsichtsrecht über das Kirchenvermögen zur Einschränkung der Vermögens-
erwerbsfähigkeit der Kirche benützte. Diese Amortisationsgesetzgebung wurde im 17. Jahrhunderte
eingeleitet und im 18. Jahrhunderte weiter ausgebildet.
Seinen Abschluß fand das System der Kirchenhoheitsrechte im 18. Jahrhunderte durch die
volle Ausgestaltung zweier Rechtseinrichtungen, durch welche, trotz der theoretisch angenommenen Ne-
benordnung von geistlicher und weltlicher Gewalt, doch die Herrschaft der letzteren über die erstere
tatsächlich zur Geltung kam, des Placet und des recursus ab abusu.
II. Kapitel.
Bayern vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Verfassungsurkunde von 1818.
§ 6. Aeußere politische Entwickelung. Die staatsrechtliche Stellung Bayerns zum Reiche
blieb in den ersten Regierungsjahren Maximilians IV. Josef wenigstens der Form nach unver-
ändert. Infolge des Lüneviller Friedens vom 9. Februar 1801, dem ein besonderer Ver-
trag mit Frankreich vom 24. August 1801 sich anschloß, verlor Bayern seine Besitzungen links des
Rheins, zufolge des Reichsdeputationsrezesses vom 25. Februar 1803 auch die
rechtsrheinische Pfalz. Es erwarb andererseits durch letzteren die Bistümer Augsburg, Freising,
Bamberg und Würzburg, Eichstätt und Passau teilweise, die Stadt Mühldorf und zahlreiche kleinere
geistliche Gebiete, Reichsstädte und Reichsdörfer in Franken und Schwaben.